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Schweizer Mitteilungen
Mit der Mai-Ausgabe 2025 runden wir thematisch die Berichterstattung über die Jahrestagung “Rudolf Steiner (1861–1925)” der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz Mitte Februar ab
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Ostererleben
Zur Osterzeit haben wir in jedem Jahr die Möglichkeit, das Mysterium von Golgatha – Tod und Auferstehung Christi – neu zu erfahren.
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Rudolf Steiner und sein schriftliches Werk
Im Gedenkjahr 2025 zum 100. Todestag Rudolf Steiners präsentiert das Rudolf Steiner Archiv die Ausstellung Autor, Redakteur, Herausgeber – Rudolf Steiner und sein schriftliches Werk.
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«Wo ich Rudolf Steiner finde?»
Diese Frage stellten wir siebenundzwanzig Menschen, die in den unterschiedlichsten Bereichen tätig und mit der Anthroposophie verbunden sind. Es ist eine Frage, die merkwürdig, vielleicht auch falsch für manches Ohr klingen mag, ist doch Rudolf Steiner heute an keinem Ort aufzusuchen und zu finden.
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Schweizer Mitteilungen
Die April-Ausgabe 2025 kommt rechtzeitig auf den Todestag Rudolf Steiners inkl. Referate und Versammlungen der Jahrestagung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz heraus und ist mit 24 Seiten Rudolf Steiner gewidmetet
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Rudolf Steiners öffentliche Wirksamkeit
Zum 100. Todestag Rudolf Steiners erscheint im renommierten Schwabe Verlag Basel eine umfangreiche Publikation von Peter Selg mit dem Titel: «Rudolf Steiner und die Anthroposophie. Studien zu Leben und Werk».
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Schweizer Mitteilungen
Die März-Ausgabe 2025 starten wir mit einer Textpassase zu Rudolf Steiners öffentlicher Wirksamkeit aus dem Buch «Rudolf Steiner und die Anthroposophie» von Peter Selg, das ab 10. März beim Schwabe Verlag Basel lieferbar sein wird.
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Die Christengemeinschaft | Juni 2018

Inhalt | Die Christengemeinschaft | Juni 2018
hingeschaut
Wer selbst an dich denkt ... 5
Per Andersen
Künstlerporträt 7
Ina Janke
Leben mit dem Evangelium |
Das Reich der Himmel 7
Tom Ravetz
Thema
Ansteckende Courage 8
Mathias Wais
Courage – Wem ist nicht bange? 10
Karl Schultz
Wichtig ist, was du für richtig hältst 11
Naomi Bahlo
Der Mut der Blutflüssigen Frau 14
Sabine Layer
Illegale Autorennen und
wie wir darüber urteilen 16
Fritjof Winkelmann
religiöses Leben
Wege in die Menschenweihehandlung |
VI. Anfang und Quell
sakramentalen Wirkens 21
Ulrich Meier
Biblische Begegnungen |
Rahab, die Wegbereiterin 23
Ruth Ewertowski
Hundert Jahre Christengemeinschaft (II) 26
Ulrich Meier
Mithrasgrade im Johannesevangelium 30
Hans-Bernd Neumann
Formen des japanischen Buddhismus (I)
Der Shingon-Buddhismus 33
Franziska Ehmcke
Austausch
Was ist der Konstitution des Mannes.
was der der Frau gemäß? 37
Friedrich Schmidt-Hieber
Weltweit
Brief an eine Schülerin 38
Yücel Feyzioglu
Bücher
Werdesal – dem Schicksal
antwortend (Kollert) 40
Marion von der Wense
Offene Verbindung (Wellershoff–Schuur) 41
Christine Gruwez
Darwin ins Rechte gedacht (Schad) 42
Ulrich Meier
Entdeckungen
Ein Garten 43
Regine Bruhn
Veranstaltungen 44
Impressum 45
***
Ansteckende Courage – Begebenheit in drei Akten
von Mathias Wais
Erster Akt
In der Straßenbahn, es ist ca. 16.30 Uhr, Rushhour, Feierabend. Alle streben nach Hause, wollen raus aus der City, hinaus in die Vorstadt, wo das Eigenheim wartet und Entspannung verheißt.
Sämtliche Sitzplätze sind belegt. Die Stehplatzflure sind übervoll, und fast jeder Passagier schleppt noch ein oder zwei Plastiktüten mit sich, den Einkauf für heute Abend. Ein paar Jugendliche fahren mit prall gefüllten Sporttaschen. Im mittleren Teil der Bahn sitzen sechs Jugendliche zusammen. Sie sind bei der Berufsschule eingestiegen. Jeder von ihnen starrt auf sein Smartphone, um nach dem Unterricht wieder Anschluss an die Welt zu bekommen.
Ein älterer Mann steigt ein, er mag ungefähr achtzig Jahre alt sein, mit Gehstock, er scheint etwas unsicher auf den Beinen. Da steht einer der Berufsschüler auf und bietet diesem Herrn seinen Platz an: »Setzen Sie sich bitte.«
Eine kleine Geste, die doch so selten geworden ist. Ab und an sieht man noch ältere Herrschaften, die noch älteren Herrschaften ihren Sitzplatz anbieten. Das ist alte Schule. Das gibt es noch vereinzelt. Aber dass ein junger Mensch …?
Das irritierend Schöne war nicht die Höflichkeit, zum wenigsten auch der Respekt dem alten Mann gegenüber. Das Entscheidende und eigentlich Erstaunliche schien die Courage zu sein: Der junge Mann setzte sich ja in einem Einsichts- und Entschlussmoment von der Selbstbefangenheit seiner Smartphone-Clique ab. Er selbst hatte zunächst auch sein Blickfeld eingeengt auf das Gerät, hatte ein ums andere Mal seinen Nachbarn oder sein Gegenüber auf einen Post, eine Twittermeldung, eine Sportnachricht aufmerksam gemacht. Im Gegensatz zu seinen Freunden hatte er aber gleichzeitig die Wachheit zu sehen, dass der ältere Herr einen Sitzplatz brauchte. Und unmittelbar setzte sich diese Einsicht um in den Beschluss, ihm seinen Sitzplatz anzubieten. Hieß ja: für den Moment auszusteigen aus der Smartphone-Gemeinschaft. Hieß, gegen den Strom zu handeln, sich ganz auf sich selbst zu stellen. Hieß, etwas in dieser Situation Unerwartetes zu tun. Die Achtsamkeit dem älteren Herrn gegenüber war dem jungen Mann für den Moment wichtiger und richtiger als die fortlaufende Verbundenheit mit seinen Kumpels. Ein kleiner Augenblick der Courage, so schien es mir.
Zweiter Akt
Nun war die kleine Geschichte damit nicht zu Ende. Der Moment der Courage pflanzte sich unversehens fort. Ganz deutlich sprang der Funke über auf andere Fahrgäste. Erst zwei, drei, dann mehr und mehr Fahrgäste sahen sich um, ob vielleicht noch jemandem ein Sitzplatz angeboten werden könnte. Nun wollten auf einmal viele so couragiert sein. Nicht dass man die entsprechende Regel für Höflichkeit und Rücksichtnahme nicht schon immer gekannt hätte. Nein, das Entscheidende war, zu dieser Regel aufzuwachen, sie sich persönlich zueigen zu machen, eine ganz persönliche Entscheidung zu treffen, gerade weil solches heute kaum mehr üblich ist. Eben deshalb exponiert man sich mit einer solchen eigentlich banalen Höflichkeitsgeste. Es ist ein Courage-Moment, der nun plötzlich attraktiv geworden ist. Tatsächlich war da nun allerdings niemand, dem man hätte noch einen Sitzplatz anbieten können oder müssen. Alles kräftige, mittelalte Leute, gut im Saft. Dafür breitete sich augenblicklich ein Flair von Höflichkeit und gegenseitigem Interesse aus, was immerhin bis zur übernächsten Haltestelle anhielt. Plötzlich hörte man zum Beispiel, wenn jemand aufstehen und aussteigen wollte, viel »Darf ich Sie eben bitten …?« oder »Kommen Sie gut nach Hause« und »Ich danke Ihnen«, nicht einfach »Danke«.
Dritter Akt
Diese Episode inspirierte meinen Freund, der auch dabei gewesen war, zu einem kleinen Experiment: Er wollte herausfinden, ob man solche kleine persönliche Couragiertheiten im Alltag gezielt stimulieren kann. Wir stiegen zusammen in eine wiederum voll besetzte Straßenbahn ein. Statt, wie es heute üblich ist, sich hinein und durch zu drängeln, riefen wir schon am Eingang »Gestatten Sie bitte« und »Würden Sie bitte hier einen Schritt zur Seite treten« sowie »Ich achte darauf, dass ich nicht auf ihre Tasche trete«. So ähnlich muss es Moses ergangen sein, als er mit seinem Stab die Fluten des Schilfmeeres auseinandertrieb, damit sein Volk hindurch konnte. Ich rempelte aus Versehen eine junge Frau an, hatte mit meinen Schuhen an ihrem Mantel gestreift, als ich über eine große Sporttasche steigen wollte. Ich nutzte den Moment, entschuldigte mich persönlich, nannte meinen Namen, bot ihr meine Karte an, damit sie mir die Reinigungsrechnung schicken konnte. Sie wiegelte lächelnd ab, es sei ja halb so schlimm, und wir kamen ins Gespräch über volle Straßenbahnen und darüber, dass sie ja für alle belastend seien. Gleichzeitig machte sich eine gewisse Unruhe um uns herum bemerkbar, eine Unruhe der Verbundenheit. Einander bis dahin wildfremde Leute erzählten sich von ihren Erlebnissen mit voll besetzten Straßenbahnen, von den Kopfschmerzen, die man dabei schnell bekommt, und was dagegen hilft (»Also, ich trage einfach etwas Tigerbalsam auf die Stirn auf«).
Was war geschehen? Wir hatten mit unserem kleinen Experiment den Mut stimuliert, einander persönlich zu begegnen. Das war alles. Und doch offenbar so viel. Gibt es ein untergründiges Bedürfnis, bei aller Sicherheit gebenden Anonymität der Großstadt, nach persönlicherer Begegnung? Und muss das nur einer anstoßen?
Eine Kleinigkeit gewiss, verglichen zum Beispiel mit der Courage, die jemand aufbringen muss, der beschließt, den Mount Everest zu erklimmen. Aber stecken solche gewaltigen Mut-Beschlüsse an? Augenscheinlich können jedenfalls so kleine Couragiertheiten anstecken.