«Das einzig Gesunde ist doch, allen Einfluß auf den Willen des anderen Menschen nur durch Erkenntnis hindurch zu bekommen. Erkenntnis soll etwas sein, wodurch sich die eine Seele mit der anderen verständigt.»
Rudolf Steiner, «Von Jesus zu Christus», GA 131, 7. Aufl. 1988, 1. Vortrag, Karlsruhe, 5. Okt. 1911, S. 47
Evolution der Anthroposophischen Gesellschaft
Gründungsintention
«Die Anthroposophische Gesellschaft soll eine Vereinigung von Menschen sein, die das seelische Leben im einzelnen Menschen und in der menschlichen Gesellschaft auf der Grundlage einer wahren Erkenntnis der geistigen Welt pflegen wollen.» (§1 der Gründungsstatuten)
Die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft, die am 28. Dezember 1923 – während der Weihnachtstagung vom 24. Dezember 1923 bis 1. Januar 1924 – in Dornach mit ca. 800 Teilnehmern gegründet wurde, sollte keine programmatischen Statuten erhalten. „Eine Beschreibung dessen, was Menschen in einem rein menschlichen Lebenszusammenhang – als Anthroposophische Gesellschaft – vollbringen möchten, solle an die Stelle eines solchen ‚Statuts’ treten“ (Rudolf Steiner, GA 260a, S. 29). Zugleich sollte sich dieser Zusammenhang als öffentliche Gesellschaft in den Kontext der Gegenwart stellen.
Die Aufgabe der Gesellschaft ist, neben dem oben Genannten, die „Förderung der Forschung auf geistigem Gebiete“ (§9), die durch die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft geleistet wird. „[…] Mitglied kann jedermann ohne Unterschied der Nation, des Standes, der Religion, der wissenschaftlichen oder künstlerischen Überzeugung werden, der in dem Bestand einer solchen Institution, wie sie das Goetheanum in Dornach als freie Hochschule für Geisteswissenschaft ist, etwas Berechtigtes sieht.“ (§4)
Neben der statuarischen Beschreibung findet bei der Begründung der Gesellschaft auch eine „ideell-geistige“ (GA 260a, S. 33) Grundsteinlegung statt; der Grundstein selbst ist ein in vier Strophen gegliederter Meditationsspruch („Grundsteinspruch“, s. GA 260, S. 281 ff.): die „Zusammenfassung desjenigen, was als wichtigstes Ergebnis der letzten Jahre vor Ihren Seelen stehen kann“ (GA 260, S. 60). „Der Boden, in den der ‚Grundstein’ gelegt wurde, konnten nur die Herzen und Seelen der in der Gesellschaft vereinigten Persönlichkeiten sein, und der Grundstein selbst muss die aus der anthroposophischen Lebensgestaltung quellende Gesinnung sein. […] Diese Gesinnung bildet […] der Wille, durch menschliche Seelenvertiefung den Weg zum Anschauen des Geistes und zum Leben aus dem Geiste zu finden.“ (GA 260a, S. 33)
Die Verbindung von spiritueller Praxis mit voller Öffentlichkeit ist ein Hauptmotiv der Weihnachtstagung und der Anthroposophischen Gesellschaft. Diese Neugründung knüpft an die 1912 gegründete Anthroposophische Gesellschaft an (s.u.).
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