Selbsterkenntnis als Voraussetzung zur Selbsterziehung
Selbsterziehung wird nur der suchen, der anders werden will als er ist. Er erkennt das vorgefundene So-Sein als unangemessen oder ungenügend. Eine gewisse Fähigkeit elementarer Selbsterkenntnis ist Voraussetzung zur Selbsterziehung, ohne sie käme das Bedürfnis nach Verwandlung nicht zustande, mindestens nicht zum Bewußtsein.
Auch die Forderung nach Veränderung durch die Umgebung wird erst dann zum Motiv der Selbsterziehung, wenn Selbsterkenntnis die Berechtigung dieser Forderung bestätigen kann. Andernfalls handelte es sich um Opportunismus. Zunächst sind zwei Arten der Selbsterziehung voneinander zu unterscheiden.
»Durch meine Instinkte, Triebe bin ich ein Mensch, von denen zwölf ein Dutzend machen; durch die besondere Form der Idee, durch die ich mich innerhalb des Dutzend als Ich bezeichne, bin ich Individuum.«
( aus »Die Philosophie der Freiheit« (1. Auflage, S. 153, X. Die Idee der Freiheit) bzw. GA 4, 15. Aufl. 1987, Kap. IX Die Idee der Freiheit, S. 164)
Von der Selbsterziehung
Eine genauere Betrachtung

Ein Aufsatz Bodo von Platos, in welchem er die "Moralische Selbsterziehung" und die "Selbsterziehung des werdenden Menschen" einer genaueren Betrachtung unterzieht.
"Auftauchen, Herannahenlassen, Umfassen, Ergebenheit, Einklang und Realisierung der Wandlung deuten auf mögliche Stufen eines Weges im Umgang mit einem Phänomen (oder Erkenntnisgegenstand), auf dem das Selbst sich im werdenden Zusammenhang mit der Welt erkennt und verwandelt. Der Sich-Selbst-Erziehende richtet dabei den Anspruch auf Erziehung oder Entwicklung radikal und ausschließlich an sich selbst. Er gibt der Welt Gelegenheit, ihn zu verändern, indem er sie aktiv nach der in ihr erkennbar werdenden Bestimmung in sich aufleben läßt, ohne sich in ihr zu verlieren, ja vielmehr um sich in ihr zu finden."
(aus: Konturen / Band 6 - Bodo von Plato - "Von der Selbsterziehung", Heidelberg 1995, S. 91f)