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Rudolf Steiner - eine Bildbiographie

 

Das Rudolf Steiner Archiv in Dornach hat viele seiner Schätze ausgepackt und eine Auslegeordnung hergestellt, die das Leben Rudolf Steiners in seiner Vielschichtigkeit, Fülle und Dichte zeigt. Zahlreiche Fotografien und Dokumente, jeweils kompetent und feinsinnig erläutert, führen in acht Kapiteln durch Rudolf Steiners Lebensgang. So wird ein völlig anderer Zugang zu diesem außergewöhnlichen Leben möglich. Es wird nicht linear als Entwicklung erzählt, dokumentiert werden vielmehr einzelne Situationen und Konstellationen, sodass ein Geflecht von Beziehungen und Begegnungen entsteht. Anstelle von biografischen Interpretationen und Schlussfolgerungen lassen die Herausgeber die Dokumente sprechen, sie erzeugen so eine dichte atmosphärische Nähe des Vergangenen, lassen aber durch Auswahl und Anordnung auch Hintergründiges und Zukunftsweisendes aufscheinen. Wer Rudolf Steiner anhand von Zeitzeugnissen kennenlernen will, wird hier visuell und gedanklich reich belohnt; wer sein Bild erweitern will, findet viel Unbekanntes, Ungesehenes und Ungelesenes. Wie man Rudolf Steiner auch sehen will, in diesem Buch kann man es auf mehreren Ebenen.

>> Mit über 800 farbigen Abbildungen

D. M. Hoffmann, A. Vinzens, N. Badenberg, S. Widmer (hrsg.), Basel, Rudolf Steiner Verlag, 2021.

Die Jahre von 1913 bis zu seinem Tod

1913 – 1919 Unter Rudolf Steiners Leitung und der Mitarbeit zahlreicher Künstler aus verschiedenen Ländern fand die Errichtung des von ihm entworfenen Goetheanums in Dornach/Schweiz, ein plastisch-organisch in Holz gestalteter Doppelkuppelbau, statt. Die künstlerischen Arbeiten Steiners waren: Plastische Innen- und Außengestaltung (Entwürfe), Deckenmalereien (Entwürfe und teilweise Ausführung), Glasfenster (Entwürfe für die Motive) sowie die Holz-Skulptur "Der Menschheitsrepräsentant" (Höhe 9m - Entwürfe und teilweise Ausführung). Die entscheidenden statischen Berechnungen der Doppelkuppel wurden durch Steiner selbst ausgeführt.Die Eheschließung mit Marie von Sivers fand 1914 statt. Ausserdem entsteht im Umkreis des Goetheanums nach und nach ein Ensemble von Wohn- und Zweckbauten nach Entwürfen Rudolf Steiners: Glashaus, Haus Duldeck, Heizhaus, Verlagshaus, Transformatorenhaus; später folgen das Atelierhaus (Haus de Jaager) und weitere Wohnhäuser. Der Dornacher Hügel wird zur Künstlerkolonie; u.a. siedeln sich zahlreiche russische Künstler an, unter ihnen Assja Turgenieff, Andrej Belyj und Margarita Woloschin. Steiner hält zahlreiche Vorträge über Kunst, Architektur, Zeitgeschichte und Geisteswissenschaften.

1917 Unter dem Titel "Von Seelenrätseln" erscheinen Steiners Forschungsergebnisse über die Dreigliederung des menschlichen Organismus (Nervensinnessystem, Rhythmisches System, Stoffwechsel-Gliedmaßensystem) und Ausführungen über das Verhältnis Anthropologie und Anthroposophie. Nach Gesprächen mit dem Politiker Otto Graf Lerchenfeld über die Situation Mitteleuropas entstehen zwei Memoranden, in denen Steiner Perspektiven für eine soziale Neugestaltung des öffentlichen Lebens entwickelt.

1919 Am 24. Februar kommt es zur ersten öffentlichen Eurythmieaufführung unter der Leitung von Marie Steiner im Pfauentheater in Zürich. Eine in Zürich gehaltene Vortragsreihe über "Die soziale Frage" erscheint überarbeitet im April als Buch unter dem Titel 'Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft'. Leitgedanke ist die "Dreigliederung des sozialen Organismus", d.h. die Entflechtung des Einheitsstaates in ein freies Geistesleben, ein demokratisches Rechtsleben und ein assoziatives Wirtschaftsleben. In Vorträgen und zahlreichen Besprechungen mit Vertretern der Arbeiterschaft wie auch mit Industriellen engagiert sich Steiner für die Begründung von Betriebsräten. Nach intensiven Vorbereitungen wird im Herbst in Stuttgart die Freie Waldorfschule als einheitliche Volks- und Höhere Schule eröffnet. Die Schirmherrschaft liegt in den Händen des Direktors der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik, Emil Molt. Die Leitung wird Rudolf Steiner übertragen, der diese bis zu seinem Tod 1925 innehat. - In pädagogischen Kursen werden die Lehrer durch ihn auf ihre Aufgabe vorbereitet.

1920 - 1925 In den folgenden 5 jahren hält Rudolf Steiner zahlreiche öffentliche Vorträge in Deutschland und im Ausland sowie Vortragszyklen für Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft u.a. Entsprechungen zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos / Anthroposophie als Kosmosophie / Der Mensch als Zusammenklang des schaffenden, bildenden und gestaltenden Weltenwortes und Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Daneben wird Steiner immer häufiger gebeten, Vorträge und Kurse über fachspezifische Themen zu halten wie: Pädagogik, Medizin, Nationalökonomie, Theologie, Landwirtschaft, Physik, Schauspielkunst, Heilpädagogik u.a. - In Wien 1922 ist Rudolf Steiner an dem Ost-West-Kongreß Hauptvortragender. Als Schulungsgrundlage für Maler schafft Steiner eine Folge von Pastellskizzen und Aquarellbildern ("Naturstimmungen", "Friedwartskizzen"). Zahlreiche Eurythmieaufführungen finden an verschiedenen Theatern in Deutschland und im Ausland statt, die Rudolf Steiner häufig mit einem kurzen Vortrag über die Grundaspekte dieser neuen Bewegungskunst einleitet. Unter Mitwirkung von Rudolf Steiner wird im Herbst 1922 die Gründung der "Bewegung für religiöse Erneuerung" (Die Christengemeinschaft) durchgeführt. Anthroposophische Forschungsinstitute, Kliniken und weitere Schulen entstehen. Es schliesst sich die Gründung der „Weleda“ für die Herstellung von Heilmitteln und Kosmetika an. In den Zeitschriften "Dreigliederung des sozialen Organismus" und "Das Goetheanum" erscheinen regelmäßig Aufsätze von Rudolf Steiner.

Brandruine 1923

1922 - 1923 In der Silvesternacht 1922/23 wird das Goetheanum durch Feuer zerstört. Die Arbeit - künstlerische Veranstaltungen und Vorträge - wird in der Schreinerei in unmittelbarer Nähe der Brandruine unvermindert fortgeführt. Für einen zweiten, in Beton gestalteten Goetheanum-Bau (Fertigstellung 1928), kann Rudolf Steiner infolge seiner Erkrankung im Herbst 1924 nur noch ein Außenmodell schaffen. Angesichts des Wachstums der anthroposophischen Bewegung und der vielen neuen Aufgaben kommt es an der Weihnachtstagung 1923 in Dornach zu einer Neukonstituierung der Anthroposophischen Gesellschaft, deren Vorsitz Rudolf Steiner nun selbst übernimmt, sowie zu einer Neugestaltung der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, ebenfalls unter seiner Leitung. Die Hochschule wird gegliedert in drei Klassen, in denen eine vertiefte esoterische Arbeit angestrebt wird, sowie in Fachsektionen für Medizin, Schöne Wissenschaften, Bildende Künste, Redende und Musikalische Künste und für das Geistesstreben der Jugend sowie Mathematik und Astronomie, Naturwissenschaften, Pädagogik und Anthroposophie.

1924 - 1925 Im Herbst 1924 ist der Beginn des Krankenlagers Rudolf Steiners. Die immens angewachsene Vortrags- und Kurstätigkeit bricht jäh ab. Während des Krankenlagers ist Steiner dennoch bemüht, die Fortsetzung der Niederschrift seiner Autobiographie fortzuführen: Mein Lebensgang. In Zusammenarbeit mit der Ärztin Ita Wegman entsteht die Schrift 'Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst'. Ausserdem wendet er sich in "offenen" Briefen und "Leitsätzen" regelmäßig an die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft und gibt ihnen Anregungen für eine spirituelle Vertiefung ihrer Arbeit.

Am 30. März 1925 stirbt Rudolf Steiner in Dornach b. Basel.

Diese Chronik wurde von Dr. Walter Kugler zusammengestellt (letzte Überarbeitung Nov. 2023/ Red. Aeberhard-Josche).