FondsGoetheanum: Lasst uns Kind sein

Der Schlüssel zum Kind

Liebevolles Beobachten des Kindes, seiner äusseren Erscheinung nach und in seinem seelischen Verhalten ermöglicht uns, besser auf sein Wesen einzugehen, es in seiner Entwicklung zu fördern.

Da gibt es Kinder mit grossen, staunenden Augen, die fantasievoll träumend in der Welt stehen. Ihr Kopf ist gross und wirkt dem übrigen Körper gegenüber dominant. Ein anderes Kind hat eher einen kleinen Kopf und ist in seinen Bewegungen geschickt. Es ist oft an technischen Dingen interessiert.

Kinder mit einem etwas gedrungenen Körperbau sind häufig auch seelisch mehr in sich gekehrt als solche, die einen feinen, grazilen Körperbau haben und oft sehr sensibel reagieren.

Ganz anders sind Kinder mit einer blonden Lockenpracht und hellen, strahlenden, blauen Augen. Sie haben es oft schwerer, sich an vergangene Ereignisse zu erinnern, während Kinder mit dunklen Augen und einem braunen bis schwarzen Haarschopf gerade das Problem haben, dass sie nicht vergessen können.

Schliesslich begegnen uns im täglichen Leben immer wieder Kinder, die eine unglaubliche Unruhe zeigen, sich nicht konzentrieren können und stark abgelenkt werden von ihrer Umgebung. Die Unruhe ergreift auch ihre Bewegungen, sie neigen zu ungestümen, nicht kontrollierten Handlungen. Andere wiederum verhalten sich ruhig, fast zu ruhig, und kommen erst gar nicht richtig in Bewegung. Bei ihnen ist die sinnliche Wahrnehmung herabgesetzt.

Die vielfältigen und unterschiedlichen kindlichen Konstitutionsmerkmale sind wie polar angeordnete Bilder eines Ganzen, die sich gegenseitig ergänzen und zu einem «Gesamtmenschenbild» formen.

So ringt das Kind um Ausgleich von veranlagten und mitgebrachten Einseitigkeiten: zwischen Träumen und Wachen, zwischen Ruhe und Bewegung, zwischen Erinnern und Vergessen, zwischen Abgeschlossenheit und Offenheit.

Erdmut J. Schädel
Dr. med., Kinderarzt