FondsGoetheanum: Kuh und Klima

Ja, ich will zur nachhaltigen Landwirtschaft beitragen

 

Zunehmend höhere Temperaturen und deren Folgen konfrontieren uns, wie z. B. die Gletscherschmelze. Die Landschaften und das Klima verändern sich. Die Herausforderungen an die landwirtschaftliche Produktion steigen. Die Ernährungssicherheit ist gefährdet. Der Weckruf des Weltagrarberichts von 2008 «Weiter wie bisher ist keine Option» kann nicht mehr überhört werden. Es braucht Politiker, Händler und Konsumenten, die gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern die Ernährungspolitik gestalten. Es braucht eine andere Haltung, eine Landwirtschaft, welche die Bodenerosion verhindert und die Böden nachhaltig fruchtbar erhält. Die biodynamische Landwirtschaft baut Bodenfruchtbarkeit auf. Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Forschung für diesen Kulturimpuls.

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Landwirtschaft bilanzieren

Die Landwirtschaft ist untrennbar mit den Gemeingütern und dem Gemeinwohl verbunden. Jede betriebliche Tätigkeit, die Landwirtinnen und Landwirte unternehmen, berührt automatisch auch die Ökosysteme, das Klima, die Bodenfruchtbarkeit, die biologische Vielfalt und die Kulturlandschaft, im negativen wie im positiven Fall.

In letzter Zeit wird der Landwirtschaft öfters vorgerechnet, welche Schäden sie durch ihre Wirtschaftsweise an den Ökosystemen verursacht und welche Folgekosten diese bereits jetzt und für die kommenden Generationen nach sich ziehen werden. Volkswirtschaftlich machen solche Berechnungen durchaus Sinn, denn die Nationalökonomie muss die Entwicklung des Wohlstandes ganzheitlich betrachten. Günstige Nahrungsmittel durch eine effiziente Produktion bereitzustellen, ist nur eine Seite der Medaille. Wenn dadurch Schäden an der Umwelt und dem Gemeinwohl entstehen und der entstandene Wohlstandsgewinn durch den Aufwand der Schadensreparatur, wie etwa die Trinkwasserreinigung, wieder dezimiert wird, muss dies einkalkuliert und gegengerechnet werden.

True-Cost-Bilanz bringt’s ans Licht

Die True-Cost-Bewegung widmet sich der Berechnung und Bilanzierung solcher Kosten und legt dabei Unterschiede verschiedener Produktionsweisen offen. Der genauere Blick auf die Unterschiede lohnt sich. Was gelegentlich als ineffizient in der Produktion gilt, kann in der Bilanz doch günstiger für alle werden. Eine aufwändigere und teurere Produktion, wie zum Beispiel der ökologische und im Speziellen auch der biologisch-dynamische Landbau, ist nicht automatisch ökonomisch ineffizient. Um zu einer wirklichen ökonomischen Bewertung zu kommen, muss die Gesamtrechnung aufgemacht werden. In diese Gesamtrechnung müssen nicht nur die negativen externen Effekte, also die schädlichen Wirkungen, sondern auch die positiven externen Effekte, das heisst die Leistungen der Landwirtschaft zum Schutz und Erhalt der Ökosysteme, berechnet und offengelegt werden.
Dazu gehören die biologische Vielfalt, der Wasserhaushalt, der Klimaerhalt und noch weitere gesellschaftliche Güter, zum Beispiel die Versorgungssicherheit und der gesundheitsfördernde Lebensraum. Sie werden täglich in grossem Umfang von der gesamten Landwirtschaft erbracht, von manchen Betrieben mehr, von anderen weniger. Je nachdem, wie viel ein Betrieb in den Erhalt der natürlichen und sozioökonomischen Produktionsgrundlagen durch seine Wirtschaftsweise investiert, hat er mehr oder weniger Aufwand.

Bodenfruchtbarkeit als Massstab

Am Beispiel der Bodenfruchtbarkeit lässt sich dieser Aufwand gut darstellen: Betrieb A betreibt viel Aufwand für die Erhaltung seiner Bodenfruchtbarkeit, er erzeugt betriebseigenen Kompost und bringt ihn auf die Flächen aus, er baut Zwischenfrüchte an und Leguminosen zur Bindung von Stickstoff aus der Luft in den Boden, bzw. in seinen Betriebskreislauf. Durch einen über Jahre abgestimmten Fruchtwechsel kann die Bodenfruchtbarkeit auf einem Niveau erhalten werden, das eine langfristige Produktivität garantiert. Im Idealfall entsteht gegenwärtig und zukünftig kein Bedarf an der Zufuhr von Nährstoffen für den Anbau seiner Marktfrüchte von ausserhalb des Betriebes, ohne dass die Ertragskraft des Bodens abnimmt. Der Betrieb beschafft sich sein Produktivvermögen, bezogen auf die Pflanzennährstoffe, selbst aus seinem Betrieb heraus. Zusätzlich wird im langjährigen Saldo durch den Eintrag von organischer Masse in den Boden CO2 fixiert und so das Klima entlastet. Durch den Fruchtwechsel werden weitere positive Effekte ausgelöst, es wird biologische Vielfalt geschaffen, abwechslungsreiche Landschaft erzeugt und Versorgungssicherheit und Resilienz bewirkt.

True­Cost­Bilanz. Der Umgang mit Tieren und Böden ist klimaentscheidend.

Versteckte Kosten

Betrieb B betreibt weniger Aufwand für den Erhalt seiner Bodenfruchtbarkeit, er baut keine Zwischenfrüchte an und beschafft den Nährstoffbedarf seiner Kulturpflanzen über – im Verhältnis zu Betrieb A – viel günstigeren Stickstoff aus synthetischer Produktion. Er betreibt wenig Fruchtwechsel und kann auf seiner Betriebsfläche deshalb jedes Jahr Marktfrüchte anbauen und verkaufen.
Sein Aufwand und seine Produktionskosten sind niedriger, er arbeitet – nach der gewöhnlichen betriebswirtschaftlichen Rechnung beurteilt – effizienter und kann seine Erzeugnisse am Markt günstiger als Betrieb A anbieten. Allerdings entstehen in seinem Betrieb versteckte Kosten. Zum Beispiel bewirkt er mehr CO2-Emissionen, als er in den Boden rückbindet. Er baut keine Zwischenfrüchte an, sein Boden liegt z. T. zeitweise offen. Durch Starkregen und Wind verliert er fruchtbaren Boden, Humus, einen der wichtigsten Produktionsfaktoren seines Betriebes. Der Boden stirbt.
So wie am Beispiel Bodenfruchtbarkeit dargestellt, ergeben sich je nach Art der Bewirtschaftung zahlreiche positive oder negative Effekte auf die natürlichen und sozioökonomischen Produktionsfaktoren eines Betriebes sowie auf die Umwelt.

Nachhaltigkeit ist nicht gratis

Alle Massnahmen, die der Betrieb unternimmt, um positive Effekte auszulösen, erzeugen betrieblichen Aufwand und kosten Geld. In der Bilanz schlagen sich diese als Personal- und Sachkosten nieder. Er muss die Kosten auf den Preis seiner Produkte oder Dienstleistungen umlegen und dafür am Markt einen vergleichsweise hohen Preis verlangen, um seine Kosten decken zu können. Der Vorgang ist ungerecht, denn die Konsumentin oder der Konsument, die oder der bereit ist, den höheren Preis für nachhaltig produzierte Lebensmittel auszugeben, bezahlt für andere Konsumentinnen und Konsumenten mit, denn die betrieblichen Massnahmen und Leistungen, die den höheren Preis begründen, kommen der gesamten Gesellschaft zugute. Zudem bezahlt sie oder er noch über Steuern und Abgaben an der Behebung der Schäden mit.

Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen

Es wäre daher sinnvoll, den Landwirtinnen und Landwirten ihre Leistungen zum Schutz der Ökosysteme und für das Gemeinwohl unabhängig von den Produkten und ihren Preisen zu vergüten. «Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen» wäre die Begründungslinie, nach der verfahren werden muss. Die Berechnungsmethoden für den betriebswirtschaftlichen Aufwand der Leistungen für den Schutz der Ökosysteme sind entwickelt und für jeden Betrieb einsatzbereit. Jetzt fehlen nur noch die Einsicht und die Bereitschaft, den Landwirtinnen und Landwirten ihre Leistungen entsprechend fair zu vergüten.
Volkswirtschaftlich würde die Rechnung aufgehen, denn es wäre für alle, die Betriebe und die Gesellschaft, günstiger, in die Schadensvermeidung zu investieren, als für die Instandsetzung der entstandenen Schäden an Wasser, Boden, Klima und Gesundheit bezahlen zu müssen.

Christian Hiss, Gärtner, Landwirt und Ökonom