FondsGoetheanum: Kuh und Klima

Ja, ich will zur nachhaltigen Landwirtschaft beitragen

 

Zunehmend höhere Temperaturen und deren Folgen konfrontieren uns, wie z. B. die Gletscherschmelze. Die Landschaften und das Klima verändern sich. Die Herausforderungen an die landwirtschaftliche Produktion steigen. Die Ernährungssicherheit ist gefährdet. Der Weckruf des Weltagrarberichts von 2008 «Weiter wie bisher ist keine Option» kann nicht mehr überhört werden. Es braucht Politiker, Händler und Konsumenten, die gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern die Ernährungspolitik gestalten. Es braucht eine andere Haltung, eine Landwirtschaft, welche die Bodenerosion verhindert und die Böden nachhaltig fruchtbar erhält. Die biodynamische Landwirtschaft baut Bodenfruchtbarkeit auf. Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Forschung für diesen Kulturimpuls.

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Die 3 Fragen

Die drei Fragen sind eine einfache Methode, die Beziehung zu sich und zur Mahlzeit zu stärken. Man stellt sie sich bei einer Mahlzeit und beantwortet sie vor, während und nach dem Essen.
– Vor dem Essen: Was habe ich auf dem Teller?
– Während des Essens: Wie schmeckt es?
– Nach dem Essen: Wie verdaue und vertrage ich das, was ich gegessen habe?

Über den Tellerrand hinaus

«Das Auge isst mit» oder «Hier kocht der Chef» sind Werbeaussagen, die für Genuss und Freude stehen. Teilen wir das Erlebnis an frisch zubereiteten, schön garnierten Mahlzeiten mit anderen in entspannter Atmosphäre, befriedigen wir dabei sogar unsere sozialen Bedürfnisse.

Bereiten wir das Essen achtsam zu, ist die Mahlzeit bekömmlich und wir fühlen uns wohl und gesättigt. Füllen wir hingegen unseren Magen mit Essen, das wir kurz vorher aus der Packung geholt und schnell erhitzt haben, bleibt es bei einer reinen Energie- und Nährstoffaufnahme. Rundum ernährt sind wir dadurch kaum. Jeden Tag entscheiden wir, wie wir unsere Mahlzeiten gestalten. Möchten wir geniessen und unsere Sinne und Bedürfnisse ansprechen oder lediglich Kalorien und einzelne Nährstoffe aufnehmen
Neben der Frage, wie wir essen, steht die Frage, was wir essen. Alle wissen, dass es gesund ist, weniger Fleisch, Fett und Zucker zu essen. Dafür sollten mehr frisches Obst, Gemüse und Vollkornprodukte sowie Wasser anstatt Softdrinks auf dem Speiseplan stehen. Es spielt zudem eine Rolle, wie die Lebensmittel erzeugt werden. Ein Ernährungssystem beinhaltet all diese Aspekte: vom Anbau über die Verarbeitung und den Handel bis auf den Teller und zur Tischgemeinschaft. Wir selbst sind die Akteure. Wir gestalten unsere Umwelt und unsere Lebensbedingungen – zum Beispiel durch die Lebensmittelauswahl und den Menüplan.

Gesunde Lebensmittel aus gesundem Boden

Ein fruchtbarer Boden ist die Basis für alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse. In der biodynamischen Landwirtschaft werden die Boden- und Anbaubedingungen so gestaltet, dass der Boden belebt und die Pflanze kräftig wird. Sie kann gesund wachsen und gute Erträge liefern.
Pflanzen gedeihen im Spannungsfeld zwischen Wachsen und Reifen. Zunächst wird Masse aufgebaut, Blätter und Stängel werden gebildet und insgesamt werden sie grösser. Dann kommt es zu Blüte und Frucht. Die Reife setzt ein, der Stoffwechsel verändert sich und die gebildeten Substanzen werden teilweise wieder abgebaut. Ein reifender Apfel wird weich, aromatisch, süss und farbig.

Lebensmittel in Balance

Das ist die Qualität, die wir essen. Jedes Gemüse und Obst hat eine eigene Balance zwischen Wachsen und Reifen. Beim Salat zum Beispiel verzehren wir nicht die Früchte, sondern er ist reif oder, besser gesagt, erntereif, wenn das Wachstum des Kopfes beendet ist. Durch Düngung und pflanzenbauliche Massnahmen wird diese Balance unterstützt. Wenn hingegen einseitig zu viel Stickstoff gedüngt wird, bleibt die Pflanze im Wachstumsprozess und bildet keine Reife.
Es bilden sich grosse, oft wässrige, wenig aromatische Produkte. Biogemüse enthält mehr gesunde sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, die im Reifeprozess gebildet werden, als konventionelles Gemüse1. Die Landwirtinnen und Landwirte schaffen im Anbau die Voraussetzungen dafür, dass gesunde Lebensmittel in gesunden Böden wachsen können.
Ernteprodukte sind Ausdruck ihrer Anbaubedingungen. Die Möhren werden ausgesät, vielleicht bewässert und gejätet. Sie setzen sich aktiv mit ihrer natürlichen Umgebung auseinander, eignen sich Nährstoffe an und verkraften Trockenheit, Sonne und Hagelsturm. Sie bringen ihre Geschichte mit auf den Teller. Beim Wein würde man sagen, er zeigt Terroir. Und die Eier von Martas Hühnerschar aus dem Nachbarort schmecken besser als aus der Packung vom Supermarkt. Solche Lebensmittel erleben wir als authentisch, sie regen uns an und nähren uns.

Mit Hingabe veredelt

Die Verarbeitung von Lebensmitteln ist eine Veredelung. Es werden Produkte hergestellt, die nicht auf dem Feld wachsen. Zum Beispiel Käse und Brot. Alpkäse vom Sommer spiegelt die jeweilige Alp wider, auf der er gekäst wurde und gereift ist. Jede Alp bringt einen anderen, authentischen Käse hervor. Ein wunderbares Beispiel, wie die Umgebungsbedingungen die Qualität prägen.
Der Duft von frisch gebackenem Brot, der uns in der Bäckerei in die Nase steigt, macht Appetit. Nicht zuletzt deshalb werden häufig im Shop Brötchen ausgebacken. Im Prinzip reichen zum Brotbacken nur wenige Zutaten wie Mehl, Wasser, Salz und ein Triebmittel. Wird die Herstellung als Handwerkskunst betrachtet und ist die Bäckerin oder der Bäcker ganz mit der Arbeit verbunden, ist das Brot bekömmlich und zeigt die Stimmung, die in der Backstube gepflegt wird.

Je authentischer, desto gehaltvoller und besser

Bei einer Untersuchung eines Ernährungssystems zum Thema Qualität wurde deutlich, dass es eine Rolle spielte, welche Handgriffe beim Backen erfolgten und welche Zutaten verwendet wurden. Mehr aber noch trugen Stimmung und Haltung, mit der etwas getan wurde, zur Identität der Produkte bei2.
Ein solches typisches Brot hat Charakter und bedeutet gesunden Genuss. Diese Qualität ist stofflich nicht messbar und ist dennoch als Authentizität des Produktes wahrnehmbar. Wie beim Käse von verschiedenen Alpen schmeckt Brot aus verschiedenen Bäckereien unterschiedlich. Kennen wir die Bäckerin und vielleicht noch den Hof, von dem sie ihr Getreide bezieht, schmeckt das Brot umso besser.
Industriell verarbeitete Produkte enthalten häufig Zusatzstoffe. Achtet man auf die Zutatenliste einer Packung Kartoffelstock in konventioneller Qualität, kann man sich wundern, wozu es Diphosphate, Emulgatoren und manchmal sogar Aromen braucht. Ein Kartoffelpüree in Bioqualität enthält hingegen nur die natürlichen Zutaten Kartoffeln, Milcheiweiss und Rosmarinextrakt.
Stellt man Kartoffelstock selbst her, kommt man sogar mit Kartoffeln, Milch und zur Verfeinerung etwas Butter aus. Es ist ein Anliegen der Bio- und biodynamischen Lebensmittelverarbeitung, möglichst viele natürliche Zutaten zu verwenden. Aromen oder Farbstoffe werden vermieden, sodass die Zutaten ihre Eigenschaften bestmöglich zur Geltung bringen können. Als Konsumentinnen und Konsumenten sollten wir erwarten dürfen, dass ein Produkt echt ist und nicht durch die Zugabe von synthetisch hergestellten Zusätzen über eine nicht vorhandene Qualität hinwegtäuscht.

Kochen bedeutet Gestalten

Nur Menschen kochen. Kein anderes Lebewesen auf der Erde vermag mit dem Feuer so umzugehen, dass etwas völlig Neues entsteht. Ein englischer Spitzenkoch sagte einmal, Kochen mache uns zu Menschen und eigentlich sollten alle das Kochen lernen. Die Küche war in alten Bauernhäusern immer der wärmste Raum im Haus. Auf einer Party ist es in der Küche am gemütlichsten. Alle treffen sich hier.
In der Küche begegnet man auch den Lebensmitteln und den daraus hergestellten Mahlzeiten. Gehen wir mit Bewusstsein und Freude in die Küche, wird diese zu einem Begegnungsort. Bei der Zubereitung erleben wir die Lebensmittel mit den Sinnen: Wir sehen ihre Farbe und Form, spüren sie beim Schneiden und riechen sie beim Kochen. Wir lernen die Zutaten, Kräuter und Gewürze kennen, können kreativ sein und entdecken immer wieder Neues. Und wir begegnen der Herkunft der Produkte. Kochen bedeutet zu gestalten. Wir können zum Beispiel mit wenigen Handgriffen Schönes zaubern. All das – inkl. Sinneswahrnehmung und Kreativität – wirkt positiv und lässt uns unsere Selbstwirksamkeit erfahren. Die Begegnung mit den Lebensmitteln, mit ihrem Duft und Geschmack, ihren Farben und Formen regt unsere Sinne an. Unsere Sinne werden immer feiner, je mehr wir sie betätigen. Das ist mit den Muskeln vergleichbar, die nur durch regelmässiges Training stärker werden. Gehen wir hingegen unter Zeitstress und mit dem lästigen Gedanken, schon wieder kochen zu müssen, in die Küche, dann bleibt es bei den routinemässigen Handgriffen und weder Sinne noch Genuss werden angeregt.

Kinder spielerisch zum Kochen führen

Spielerisch können auch Kinder schon früh beim Kochen eine Beziehung zu Lebensmitteln aufbauen. Sie lernen Obst- und Gemüsearten kennen und erfahren vielleicht bei einem Besuch auf dem Bauernhof, woher sie kommen und wie Möhren oder Kartoffeln geerntet werden. So werden positive Grundlagen der Ernährung fürs Erwachsenenalter gelegt. Die Wertschätzung von Lebensmitteln, der achtsame Umgang mit ihnen sind dabei wesentliche Erfahrungen. Ein selbstgemachter Kräuterquark schmeckt, auch wenn sonst Quark nicht gemocht wird.

Die Lebensmittelauswahl. Nur eine von vielen Komponenten, die das Essen zum Genuss machen. ©Getty Images

So wird Essen zum Genuss

Im Alltag finden wir oft nicht die Zeit, in Ruhe zu essen. Stattdessen essen wir im Büro oder auf dem Weg nach Hause, ohne wirklich wahrzunehmen, was wir gerade essen und wie viel. Durch das bewusste Geniessen wird nicht nur die Sättigung früher wahrgenommen, sondern auch positive Emotionen wie Freude oder Zufriedenheit werden bewusst erlebt.
«Achtsames Essen» ist eine Methode, um die Wirkung zwischen dem Essen, dem eigenen Körper und Wohlbefinden immer deutlicher wahrzunehmen. Dabei werden alle Sinneswahrnehmungen, Gedanken und Gefühle, die sich rund um das Essen einstellen, erlebt, ohne zu urteilen oder zu vergleichen3.

So können Freude und Genuss beim Essen entstehen und es kann sich eine ehrliche Beziehung zu den Lebensmitteln ergeben. Das ist eine gute Basis, eigene Ernährungsexpertise zu entwickeln. Das wirklich Schöne daran ist: Solch ein gesundes Essverhalten ist im Prinzip für alle realisierbar. Ein Begleiteffekt kann sein, dass das Interesse für die Herkunft der Lebensmittel geweckt wird. Beim Apfel, der besonders lecker ist, interessiert man sich doch für die Sorte und woher er kommt4.

Vielfalt auf dem Teller und im Darm

Darmbakterien spielen eine zentrale Funktion in unserem Organismus und können unsere Gehirntätigkeit beeinflussen. Schon 1920 sprach Rudolf Steiner von der Beziehung zwischen Gehirn und Darm. Die Darmbakterien spalten nicht nur die für uns sonst unverdaulichen Ballaststoffe, sondern können durch die Produktion von Botenstoffen diverse Stoffwechselvorgänge (wie zum Beispiel das Hunger-Sättigungs-System), aber auch Emotionen und Verhalten beeinflussen.
Eine hohe Vielfalt steht für eine gesunde Darmflora. Essen wir abwechslungsreich mit vielen frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln und einem hohen Ballaststoffanteil, so «füttern» wir die Darmbakterien, die uns guttun. Ernähren wir uns jedoch einseitig, zuckerreich und mit viel Fast Food, spiegelt sich dies in einer monotonen Bakterienbesiedelung wider, bei der krankmachende Organismen überwiegen.

Der Kreis schliesst sich

Doch nicht nur die Lebensmittelauswahl spielt eine Rolle. Forschungen zeigen, dass der mikrobielle Abdruck auf den Lebensmitteln abhängig ist vom Boden, in dem sie angebaut werden. 5 Ein biodynamisch bewirtschafteter Boden ist im Vergleich zu einem konventionellen Boden reicher an kleinsten Bodenlebewesen. 6 Die Art und Weise, wie wir Landwirtschaft betreiben und wie wir Lebensmittel anbauen, wirkt sich also bis in die kleinsten Zellen in unserem Darm aus. So schliesst sich ein Kreis, den wir selbst in der Hand haben.

Auf den Geschmack kommen – Schritte für die Gesundheit

Wir können mit einer kurzen Übung, welche «die 3 Fragen» genannt wird, einen ersten Schritt für die Gesundheit und die Erde tun. Sie nimmt nicht viel Raum ein und kann überall und täglich geübt werden. Vor der Mahlzeit besinnt man sich einen Moment ganz in Ruhe. Mit Blick auf den Teller kann man sich fragen: Was habe ich auf dem Teller? Gibt es verschiedene Farben? Wie sind die Formen? Wie ist es angerichtet? Oder man kann einen Dank für die Mahlzeit aussprechen. Wenn man in Gesellschaft ist, die dies nicht kennt, genügt ein kurzer ruhiger Moment, ganz für sich.
Beim Essen achtet man immer wieder auf das Aroma. Wie schmeckt es? Was schmecke ich? Hier ist weniger die Frage, ob es mir schmeckt. Auch auf das Gefühl im Mund kann man achten, es ist bei Salat anders als bei Reis. Das geht übrigens auch, wenn man mit der Familie oder mit Freunden isst. Einige Zeit nach dem Essen überlegt man sich, wie man die Mahlzeit verträgt und ob sie bekömmlich ist. Es ist eine kurze Rückbesinnung, wie das Essen war. Dieses vertiefte Erleben wird schnell eine liebgewonnene Gewohnheit. Sowohl der Genuss als auch die Beziehung zu unserer Nahrung und im weiteren Sinn auch die Beziehung zur Herkunft unserer Lebensmittel werden dadurch gestärkt.

Jasmin Peschke und Lea Sprügel, Sektion für Landwirtschaft