Bund setzt neue Strategie ein
Gespräch mit Peter Latus, Bundesamt für Landwirtschaft, verantwortlich für Sorten und Saatgut.
Was sind die wichtigsten Aufgaben des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) im Zusammenhang mit Saatgut?
Saat und Pflanzgut ist eine Voraussetzung für die pflanzliche Produktion. Deshalb regelt die Saat- und Pflanzgutverordnung des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) die Sortenzulassung und die Saatgutproduktion.
In der Schweiz haben wir nur eine eingeschränkte Pflanzenzüchtung und Saatgutproduktion. Das bilaterale Abkommen mit der EU sichert jedoch den einfachen Zugang zu Saatgut für die ProduzentInnen und ermöglicht den einfachen Zugang zum EU-Markt für das Saatgut unserer Pflanzenzüchter.
Was sind die Anforderungen ans Saatgut?
Die Sorten müssen unter den schweizerischen Anbaubedingungen einen guten und sicheren Ertrag bringen, Nährstoffe gut nutzen, sie müssen gesund sein und die Anforderungen an das Erntegut erfüllen. Eine neue Sorte muss in der Gesamtheit ihrer Eigenschaften besser sein als die aktuell verbreiteten Sorten. Dies gilt selbstverständlich für alle angemeldeten Sorten, ob von einem internationalen Konzern oder von der Getreidezüchtung Peter Kunz, der unter biologischdynamischen Bedingungen züchtet. Die Anforderungen an die Saatgutqualität sind ebenfalls hoch: Die Bauern sollen im Anbau keine Probleme haben. Die Saat muss gut keimen, keine Unkrautsamen aufweisen und darf keine Saatgut-übertragbaren Krankheiten haben. Das BLW regelt nur den Saatgutbereich für den gewerblichen Anbau in der Landwirtschaft.
Welchen rechtlichen Schutz hat der Züchter?
Der Züchter kann seine Sorte für 25 Jahre schützen lassen und während dieser Zeit Lizenzen erheben. Der Sortenschutz gewährt zudem das Züchterprivileg: eine geschützte Sorte kann von den Züchtern für Kreuzungen verwendet werden.
In der Schweiz bezahlen die Bauern – im Gegensatz zu Deutschland – keine Lizenzen an die Züchter für den eigenen Nachbau.
Die weltweit tätigen, kommerziellen Pflanzenzuchtfirmen konzentrieren sich in der Züchtung auf die 5 – 7 weltweit wichtigsten Arten wie Baumwolle, Mais, Weizen, Soja, Reis. Die weltweit enorm grossen Anbauflächen garantieren diesen Pflanzenzuchtfirmen hohe Lizenzeinnahmen und damit hohe Erträge.
Wie ist die Saatgut-Strategie des Bundes politisch verankert?
Die Strategie zu Saatgut und Sorten muss sich in die allgemeinen agrarpolitischen Ziele einfügen. Das heisst eine nachhaltige, ressourcenschonende und wirtschaftlich erfolgreiche Erzeugung gesunder Lebensmittel über einen langen Zeithorizont sicherstellen. Deshalb brauchen wir einen steten Züchtungsfortschritt, um das anspruchsvolle Ziel einer ökologischen Intensivierung zu erreichen.
Derzeit arbeiten wir an einer Pflanzenzüchtungsstrategie, welche unter anderem auf mehrere Postulate von Maya Graf zurückgeht, die vereinfacht gesagt forderten:
1. Es sollen permanent von 60 Pflanzenarten je drei bis sechs robuste einheimische Sorten zur Verfügung stehen.
2. Diese sollen durch die Landwirte selbst vermehrt werden können.
3. Private Schweizer Züchter sollen so weit als möglich eingebunden werden.
4. Die Sorten werden nach ökologischen Kriterien gezüchtet.
Die Strategie soll im Jahre 2015 vorliegen. In der hierfür gebildeten Arbeitsgruppe sind auch der biodynamische Züchter Peter Kunz und Monika Messmer, Pflanzenzüchtung für biologischen Landbau, FiBL, vertreten.
Heute züchtet der Bund bei Agroscope Sorten von knapp 20 Arten mit jährlichen Kosten von ca. 4 Mio. CHF. Die jährlichen Mehrkosten für die Züchtung bei 60 Arten sind ca. 10 Mio CHF (ohne Vermehrung und Vermarktung).
Für die Bio-Landwirtschaft ist die Nachbaufähigkeit von Saatgut ein zentrales Anliegen. Wie wichtig ist diese Forderung fürs BLW?
Fürs BLW ist dies kein direktes Ziel. Die Ziele des Bundes sind wie bereits erwähnt: Für die Landwirtschaft soll hochwertiges Saatgut geeigneter Sorten mit geeigneten Arten zur Verfügung stehen, damit eine nachhaltige Landwirtschaft möglich ist. Ob mit Hybrid oder nachbaufähigen Sorten ist für das BLW sekundär.
Noch eine letzte, persönliche Frage: Was sind aus Ihrer Sicht die grossen Herausforderungen bezüglich Saatgut für die Schweiz?
Die Schweizerische Landwirtschaft kann über eine starke Tierhaltung eine hohe Wertschöpfung erzielen. Zwei Drittel des Ackerlandes werden für die tierische Produktion genutzt, und meines Erachtens ist der hohe Soja Import zu hinterfragen. In Zukunft sollten wir darauf schauen, dass wir mehr direkt für den menschlichen Verzehr produzieren und weniger über den Umweg der tierischen Produktion. Dafür brauchen wir möglicherweise moderne Sorten von heute vernachlässigten oder nicht genutzten Arten.
Besten Dank für dieses Gespräch.