Saatgut betrifft uns alle
Saatgut gehört uns allen, es ist gleichsam Weltkulturerbe. Wer es individuell nutzt, trägt eine grosse Verantwortung. Achtsamkeit und Sorgfalt im Umgang mit Saatgut ist für uns alle lebenswichtig.
Mit der Saat beginnt das Leben. Ein neuer Lebenszyklus der Pflanzen nimmt ihren Anfang, sie keimen und wachsen, blühen und fruchten. Mit der Ernte wird der Gärtner oder Landwirt für seine Mühen belohnt und die Erzeugnisse finden sich auf unseren Tellern wieder. Wir essen, was die Bäuerinnen und Bauern für uns gesät haben.
Saatgut als Kulturgut
Das Saatgut betrifft uns alle – alle Menschen weltweit. Saatgut ist ein Gemeingut wie die Luft, das Wasser, das Klima. Saatgut ist zudem ein Kulturgut, es wurde durch Menschen erschaffen, indem sie die Natur kultivierten; unsere Kulturpflanzen haben eine Jahrtausend alte Geschichte. Saatgut gehört zum Kulturerbe der Menschheit wie zum Beispiel die Schrift. Es gehört allen und doch ist es zur individuellen Verfügung. Wir tragen gemeinsam und individuell die Verantwortung dafür.
Biodiversität beginnt beim Saatgut
Wir essen, was wir gesät haben. Wenn wir Bohnen gesät haben, können wir nicht Radieschen essen, wenn wir Weizen gesät haben, essen wir Weizenbrot und nicht Roggenbrot. Es gibt aber nicht nur den Unterschied von Roggen und Weizen, sondern auch verschiedene Weizensorten. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer agronomischen, verarbeitungstechnischen und ernährungsphysiologischen Eigenschaften. Es braucht also die richtige Sorte, um das gewünschte Brot backen zu können. Auch die verschiedenen Lagen der Felder und Gärten erfordern unterschiedliche Sorten. Und insbesondere die biologische und biodynamische Bewirtschaftung gelingt nur mit Sorten, die zu diesen Landbaumethoden passen. Diversität auf den Feldern und Wiesen, in den Gärten und in der ganzen Landschaft ist nur erreichbar, wenn wir auch eine Diversität im Saatgut haben.
Die Züchtung war bis vor wenigen Jahrzehnten ein integraler Bestandteil der Land- und Gartenbaukultur. In den letzten 20 Jahren hat sich das radikal geändert. Es ist eine globalisierte Saatgutindustrie entstanden, 10 Firmen kontrollieren 70% des Marktes, und sie züchten im Labor mit Methoden der Molekulargenetik. Diese «Erfindungen» aus dem Labor werden mit Patenten abgesichert. Damit werden Monopole geschaffen – die Basis für hohe Gewinne. Diese Entwicklung gefährdet das Kulturgut Saatgut, wir sind alle betroffen. Doch es gibt auch andere Wege.
Züchten heisst schlummernde Eigenschaften wecken
Seit 90 Jahren gibt es im Rahmen der biodynamischen Bewegung Bestrebungen, das Kulturgut Saatgut in die Pflege zu nehmen. Seit rund 20 Jahren, als Antwort auf die Gentechnik, konnten diese züchterischen Arbeiten intensiviert und professionalisiert werden. Ein wichtiger Teil dieser Züchtungsarbeit und des Aufbaus einer Saatgutbranche auf biodynamischer Grundlage für den ökologischen Landbau ist in der Schweiz geleistet worden. Davon wollen wir in dieser Ausgabe des FondsGoetheanum berichten. Diese Arbeiten können nur zum Teil über den Saatgutverkauf finanziert werden, zusätzlich sind Spendengelder nötig – herzlichen Dank für Ihre Unterstützung.
Ueli Hurter,
Sektion für Landwirtschaft am Goetheanum.