Saatgut - Wirtschaftsgut oder Gemeingut? Züchtung als gemeinnützige Aufgabe
Saatgut ist ein essenzielles Gut. Ohne Saatgut wächst keine Ernte. Landwirte und Gärtner benötigen es zur Erzeugung ihrer Produkte. In Industrieländern wird es zugekauft, nur noch selten von den Landwirten selbst erzeugt.
Heute erfolgt die Finanzierung der Züchtung vorwiegend durch die Züchterlizenz im Saatgutpreis. Deshalb fokussieren sich kommerzielle Züchter auf die wichtigsten Kulturarten wie z.B. Weizen und Mais sowie auf Hybridsaatgut und erwirtschaften so den grössten Profit, denn das Saatgut muss von Bauern und Gärtnern für jede Aussaat neu zugekauft werden.
Züchtungen sind wie Kunstwerke
Dennoch ist das Saatgut der Kulturpflanzen ein Gemeingut wie Luft. Wenn der Zugang nicht gewährleistet, zu teuer oder mit zusätzlichen Kosten für Dünger und Insektizide verbunden ist, entstehen früher oder später brisante soziale Probleme. Aber auch die individuelle Leistung der Züchter muss gewürdigt und geschützt werden, denn neue Sorten tragen wie Kunstwerke die Handschrift des Autors und bleiben mit ihm verbunden.
Die Züchtung, insbesondere die notwendige Sortenvielfalt für die biologische Landwirtschaft ist eine gemeinsame Aufgabe und liegt deshalb auch in der gemeinsamen Verantwortung von allen Partnern, die am Zustandekommen eines Produktes beteiligt sind. Das gilt erst recht für deren Finanzierung. Denn Grundlage eines jeden Produktes sind die Sorten, die zu seiner Herstellung geeignet sind. Das heisst, nicht nur die Landwirte und Gärtner sind der Züchtung verpflichtet, sondern genauso die Händler, die Verarbeiter bis hin zu den Endverkäufern und den Konsumenten.
Es braucht aber noch viel Aufklärungsarbeit, damit alle an einem Produkt Beteiligten die bedeutende Rolle der Züchtung für dessen Entstehung verstehen und gemeinsam für die Züchtung Verantwortung auch bezüglich Finanzierung übernehmen. Das Verständnis wächst, erste Initiativen zur gemeinsamen Züchtungsfinanzierung sind am Entstehen. Biodynamische Züchtungsinitiativen haben in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle, und immer mehr Partner arbeiten gemeinsam daran. Zur Frage, wie Saatgut praktisch als Allgemeingut gehandhabt werden kann, läuft ein Forschungsprojekt in der Sektion für Landwirtschaft.
Ueli Hurter, Peter Kunz, Johannes Wirz
Sektion für Landwirtschaft