FondsGoetheanum: Saatgut betrifft uns alle

Standortangepasste Saatgutvermehrung

Seit Jahren vermehren wir auf unserem Hof biologisch­dyna­misches Getreidesaatgut für die Sativa Rheinau AG; in den letzten Jahren jeweils drei bis vier Hekt­aren Winterweizen aus der Ge­treidezüchtung Peter Kunz. Im Herbst säen wir pro Hektare un­gefähr 200 Kilo Basissaatgut aus. Das sind Weizenkörner, die nach der eigentlichen Züchtung mit einem besonderen Pflegeaufwand unter biologisch­dynamischen Bedingungen nachgebaut wur­den. Im darauffolgenden Sommer können wir dann ein Vielfaches ernten. Wir erhoffen uns 4 bis 5 Tonnen Ertrag pro Hektare.

Im Vergleich zur normalen Pro­duktion erfordern alle Anbau­schritte der Saatgutvermehrung erhöhte Sorgfalt und zusätzliche Handarbeit: so bald im Frühsom­mer die Ähren gewachsen sind, durchschreiten wir die Felder und prüfen alle Pflanzen. Wir entfer­nen Begleitkräuter, fremde Getrei­dearten und Weizenpflanzen, die vom gewünschten Sortenbild ab­weichen oder ansteckende Ähren­krankheiten haben. Vor der Ernte muss jedes Feld durch eine akkre­ditierte, also dafür geschulte Per­son geprüft werden. So schreiben es die offiziellen Richtlinien vor. Bevor der Mähdrescherfahrer unseren Weizen ernten kann, muss er seine Maschine gründlich mit Druckluft reinigen. Nur so kann die geringsten Vermischungen mit fremdem Getreide ausgeschlossen werden. Nach der Ernte werden die Körner durch eine qualifizier­te Fachperson auf Keimfähigkeit, Reinheit und Gesundheit unter­sucht. Erst wenn auch diese Hürde erfolgreich genommen ist, kann der Weizen als Saatgut verwendet und in die Reinigungsanlage bei Sativa in Rheinau geliefert wer­den.

Die erhöhte Aufmerksamkeit für das Getreide bringt auch eine grös­sere Wertschätzung gegenüber der Erzeugung des Rohstoffs und dem daraus gebackenen Brot. Für die Lehrlinge auf unserem Hof, ist es eine bleibende Erfahrung.

Mein Interesse an der Saatgut­vermehrung wurde geweckt, als ich beim mehrmaligen Nach­bau von Roggen auf dem eigenen Hof beobachten konnte, wie sich der Bestand veränderte und dem Standort anpasste. Dieses Schlüs­selerlebnis zeigte mir, dass sich Landwirtschaft im Allgemeinen und Saatgutproduktion im Be­sonderen nicht global organisie­ren lässt, sondern vom Standort abhängt.

Alfred Schädeli,
FiBL­Hof, Frick