Wem gehört das Saatgut?
Es ist eine entscheidende Frage: Wem gehört das Leben? Wem gehören die genetischen Ressourcen für unser Saatgut, wem gehört der Pinguin, wem die Maispflanze? Allen, niemandem? Den direkt Betroffenen? Oder denjenigen, die ein Gen isoliert oder eine Pflanze mit neuen Techniken gezüchtet und dann patentiert haben?
Die Frage: Wem gehören die genetischen Ressourcen dieser Erde, wird in den nächsten Jahrzehnten grosse Bedeutung gewinnen. Denn die Züchtung neuer Sorten beruht darauf, dass genetische Ressourcen frei ausgetauscht werden können. Mit Patenten (und immer mehr auch mit den neuen Sortenschutzgesetzen) ist damit Schluss. Der Patentinhaber erhält das ausschliessliche Verfügungsrecht über seinen patentierten Gegenstand.
Florianne Koechlin ist Biologin und Autorin. Sie befasst sich mit Pflanzen, insbesondere Pflanzenkommunikation und Beziehungsnetze sowie mit zukunftsfähigen Konzepten in der Landwirtschaft. Dazu hat sie verschiedene Bücher veröffentlicht, wie z.B. «PflanzenPalaver», «Mozart und die List der Hirse» und «Jenseits der Blattränder.» (www.blauen-institut.chund www.floriannekoechlin.ch)
Ad absurdum patentiert
Ein Beispiel: Bringt die Forschungsanstalt Agroscope in Wädenswil eine neue Apfelsorte auf den Markt – nach zwanzigjähriger, extrem aufwändiger Züchtung, nach dem Einkreuzen von zahlreichen Apfelsorten aus dem In- und Ausland – , und in dieser Sorte befindet sich (vielleicht zufällig) ein patentiertes Gen der Firma Syngenta, dann wird die Apfelsorte zum patentierten Eigentum von Syngenta.
Die Züchtungsgrundlagen geraten mit derart absurden Schutz und Monopolansprüchen mehr und mehr in die Hände einiger weniger Agrogiganten – eine gefährliche Situation.
Lebewesen sind keine Sache
Die nächste Frage heisst dann: Was ist ein Lebewesen? Um ein Patent auf einen Gegenstand zu erhalten, sind drei Grundvorsetzungen nötig: 1. Es muss eine «Erfindung» sein (und nicht bloss eine «Entdeckung», die nicht patentierbar ist). 2. Der Gegenstand muss in der Patentschrift vollständig beschrieben sein.
3. Eine Fachperson muss ihn nachbauen können. Doch ist nicht gerade dies der grossartige Unterschied zwischen einem Lebewesen und einer Maschine, dass Lebewesen NICHT erfunden, NICHT beschrieben, NICHT nachgebaut werden können? Das ist es ja gerade, was ein Lebewesen ausmacht: Es ist keine Sache. Es ist kein Gegenstand.
Das Patentgesetz wurde für unbelebte Materie – also für Chemikalien oder Maschinen – geschaffen. Da machen Patente als Innovationsschutz Sinn. Die Urheber des Patentgesetzes waren aber dezidiert der Meinung, dass Lebewesen nicht patentiert werden können. So ist im Schweizer Patentgesetz die Patentierung von «Pflanzensorten und Tierrassen» ausdrücklich verboten (Art.2.3.a).
Wie aus «Entdeckungen» «Erfindungen» wurden
Seit den 80er Jahren, mit dem Aufkommen der Gentechnik, begann sich dies zu ändern. Auf massiven Druck der Grosskonzerne wurde das Patentgesetz mit der juristischen Brechstange so zurecht gemurkst, dass auch (genmanipulierte) Lebewesen patentierbar wurden. «Entdeckungen» wurden in «Erfindungen» umdefiniert.
Doch ein Lebewesen ist niemals eine «Erfindung» irgend eines Konzerns. Es soll niemals patentiert werden können. Patente auf Lebewesen sind nicht nur aus sozialen, sondern auch aus ethischen Gründen vehement abzulehnen.
Florianne Koechlin