Das Ich steht im Mittelpunkt
Zentraler Wert der anthroposophischen Heilpädagogik ist die Respektierung der Würde des Menschen. Einen hohen Stellenwert haben die Kunst und das Zusammenleben von Menschen unterschiedlichster Behinderung und Prägung.
Heilpädagogik ist – als Praxis und Theorie von Bildung und Erziehung unter erschwerten Bedingungen – immer wertgeleitet: Die Orientierung an Normen teilt sie zunächst mit jeder Pädagogik; die aktive Parteinahme für Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen geht aber über das Engagement von Erwachsenen für Heranwachsende hinaus und lässt sich als heilpädagogische Haltung umschreiben.
Jeder Mensch ist bildbar
Zu dieser Haltung gehören das Wissen um die Bildbarkeit eines jeden Menschen ebenso wie der Respekt gegenüber der Würde der Person und der Einsatz für die Durchsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderung. Diese und weitere Aspekte einer heilpädagogischen Haltung werden von Vertreterinnen und Vertretern der anthroposophischen Heilpädagogik nicht nur vollumfänglich geteilt, sondern auch und vor allem im Alltag von Bildungseinrichtungen und Lebensgemeinschaften erfolgreich umgesetzt. Dabei lassen sich drei Momente hervorheben, welche den historisch bedeutsamen Einfluss anthroposophischer Heilpädagogik auf die Entwicklung heil- und sonderpädagogischen Denkens und Handelns belegen und zugleich das aktuelle innovative Potenzial dieser reformpädagogisch begründeten Richtung umreissen.
Die Kunst ist zentral
So erhalten künstlerische Erfahrung und Gestaltung im pädagogischen Denken Rudolf Steiners einen hohen Stellenwert: Unbestritten ist darum der Raum, welchen anthroposophische Heilpädagogik dem aktiven künstlerischen Gestalten ebenso wie der Erfahrung von Kunst für Menschen mit Behinderung zugesteht; Kunstgenuss und künstlerisches Gestalten haben im Alltag anthroposophisch geführter Einrichtungen einen festen Platz. Ein zweiter Punkt betrifft das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, wie sie für die Camphill- und andere Dorfgemeinschaften charakteristisch ist: Hier ist das Prinzip der Normalisierung des Lebensalltags für Menschen mit Behinderung – ursprünglich in Dänemark formuliert – umfassend entwickelt und weitgehend verwirklicht. Zum Dritten ist es die Auffassung, dass Behinderungen nicht die menschliche Person und die Würde des Einzelnen betreffen, sondern lediglich dessen Hülle, den Kontakt zwischen Person und Umwelt.
Im Dialog mit Nichtanthroposophen
Damit sind Werte gesetzt, auf denen anthroposophische Heilpädagogik aufbaut – auch und gerade im Dialog mit nichtanthroposophischen Praxisfeldern, mit Ausbildungsstätten und Wissenschaften; sowohl in den heilpädagogischen Lebensgemeinschaften wie auch durch den Einbezug des Künstlerischen bietet sie jeder Heilpädagogik vielseitige Anregung und Orientierung.