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Weitere Veröffentlichungen von Johannes Wirz:

Wer zahlt für das Saatgut? Gedanken zur Finanzierung ökologischer Pflanzenzüchtung.
Johannes Kotschi und Johannes Wirz
http://www.agrecol.de/files/Kotschi_und_Wirz_DE_2015_6_0.pdf, 17 Seiten.

Als die Fische gehen lernten.
Johannes Wirz und Ruth Richter
Elemente der Naturwissenschaft 103 (2015), S. 116-119.

Neue Studien: Effekte von Neonicotinoiden auf Wild- und Honigbienen im Freiland.
Johannes Wirz
Mellifera Blog (2015). https://www.mellifera.de/blog/mellifera-blog/effekte-neonicotinoide-solitaerbienen-honigbienen-freiland.html

Bienensauna.
Johannes Wirz
"Biene Mensch Natur" Blog (2015). https://www.mellifera.de/blog/biene-mensch-natur-blog/bienensauna-waermebehandlung-hyperthermie.html

Zuckerfütterung und Bienengesundheit.
Johannes Wirz
"Biene Mensch Natur" Blog (2015). https://www.mellifera.de/blog/biene-mensch-natur-blog/zuckerfuetterung-und-bienengesundheit.html

Comprendre les abeilles, et pratiquer une apiculture respectueuse de leur nature.
Johannes Wirz
Mouvement de l'Agriculture Biodynamique (2015), https://www.soin-de-la-terre.org/wp-content/uploads/Comprendre-les-abeilles-et-pratiquer-une-apiculture-respectueuse-de-leur-nature-Johannes-WIRZ.pdf

Risiken der Gentechnik

In Grossbritannien wurde die bisher umfangreichste Studie über die ökologischen Folgen gentechnisch veränderter Kulturpflanzen in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sprachen ein vernichtendes Verdikt. Sie zeigten, dass vielen Wildpflanzen, Insekten und Vögeln die Ausrottung droht, wenn Herbizid resistente Kulturen angebaut und während des gesamten Aufwuchses gespritzt werden.  Darüber hinaus liess sie keinen Zweifel offen, dass im Falle von Raps die Koexistenz von GVO und GVO-freier Landwirtschaft mit Sicherheit unmöglich, im Falle von Mais nur sehr beschränkt möglich wäre.

Trotzdem haben die Länder der EU dem Druck der USA nachgegeben und Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen bewilligt. Es dürfen Lebensmittel, die Zutaten aus GVO-Pflanzen enthalten mit einer entsprechenden Kennzeichnung verkauft werden. Noch müssen Fragen der Koexistenz und Haftung  von den einzelnen Staaten geklärt werden. Aber die EU-Behörde ist der Überzeugung, dass GVO Kulturen kein gesundheitliches Risiko darstellen. Wie Le Monde[1] berichtet, ist diese Behauptung sehr wahrscheinlich nicht richtig. Die französische Gentechnik-Kommission CGB hat bereits am 28. Oktober 2003 nach Prüfung der Ergebnisse von Versuchen an Ratten, die mit Mon 863, einem gentechnisch veränderten Mais gefüttert wurden, von der Kommerzialisierung dieser Sorte abgeraten. Nach Ende des Versuches, nach 90 Tagen zeigten Männchen gegenüber Kontrolltieren, die mit derselben Maissorte ohne Fremdgen gefüttert worden waren, eine auffällige Erhöhung der Zahl der weissen Blutkörperchen und Anomalien an den Nieren. Bei Weibchen wurde eine Verminderung der Retikulozyten, den Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen und eine signifikante Senkung des Blutzuckerspiegels festgestellt. „Die Kommission ist nicht in der Lage, gesundheitliche Risiken  auszuschliessen“, lautete das Fazit der CGB. Ausserdem bemängelte die Kommission, dass keine Fütterungsversuche mit Rindern durchgeführt wurden, da dieser Mais künftig bei der Herstellung von Kraftfutter für Milchkühe verwendet werden soll.

Offen bleibt nach Auffassung der Kommission, ob solche Versuche, die übrigens Zehntausende von Euros kosten, auf den Menschen übertragbar sind. Die Diät der Versuchstiere besteht zu dreissig Prozent aus Mais. In der menschlichen Ernährung kann man bestenfalls von fünf Prozent ausgehen. Bei solchen Mengen müssen Effekte geringer ausfallen und können erst nach längerer Zeit erwartet werden. Für aussagekräftige Ergebnisse und aus der Sicht einer guten wissenschaftlichen Praxis müssten daher in den Versuchen ähnlich geringe Mengen verfüttert und die Tiere über viel längere Zeiträume beobachtet werden. Man kann – böswillig – unterstellen, dass das ungenügende experimentelle Design von Fütterungsstudien vor allem dazu dient, die Unbedenklichkeit von Produkten aus GV-Pflanzen nachzuweisen.

Skandalös an der ganzen Sache ist, dass Mon 863 – der Mais der von Monsanto erzeugt und verkauft wird – trotzdem auf den Markt gebracht werden darf. Die EU Behörde für Nahrungsmittelsicherheit EFSA gab am 19. April 2004 grünes Licht für den kommerziellen Anbau. Dieser Entscheid ist umso fragwürdiger, als bereits im August 2002 eine wissenschaftliche Kommission in Deutschland den Anbau wegen der ebenfalls mit eingebauten Antibiotikaresistenz abgelehnt hatte.

Die Recherchen von Le Monde ergaben, dass in der Vergangenheit in Tierversuchen mit GV-Pflanzen bereits öfters gesundheitliche Nebenwirkungen beobachtet werden konnten. So zeigten Ratten nach Fütterung mit dem transgenen Raps GT 73 schon nach 28 Tagen krankhafte Veränderungen an Leber und Niere, ähnlich wie die Tiere, die mit einer anderen GVO Maissorte, T 1507, gefüttert worden waren, ganz zu schweigen von den Versuchen von Pusztai, über die in dieser Zeitschrift auch schon geschrieben wurde. Die Verheimlichung solcher Befunde muss der Konsument ebenso wie der Milchbauer, der Mais oder Raps als Kraftfutter verfüttert, als Betrug empfinden.

Dass hinter dem Entscheid der Behörde für Nahrungsmittelsicherheit nicht einfach nur  unterschiedliche Interpretationen wissenschaftlicher Daten stehen, sondern dass er als politischer Kniefall vor den Saatgutkonzernen und den USA bezeichnet werden muss, wird auf Grund der Klagen der französischen Kommission CGB offensichtlich. Die Kommission bekommt in vielen Fällen, die sie beurteilen muss, nur unvollständige Dossiers zugestellt. Es werden ihr relevante Informationen mit dem Hinweis auf industrielle Geheimhaltung vorenthalten. Sie ist personell unterbesetzt und arbeitet unter grossem Termindruck, der entsteht, weil die Anträge, die sie zu beurteilen hat, aus unerfindlichen Gründen bis kurz vor Ablauf einer Beschlussfassung verschleppt werden. Ausserdem fehlen in der Kommission Mitglieder aus KonsumentInnen- und Umweltorganisationen.

Frankreichs Umweltminister, Serge Lepeltier, ist durch die Veröffentlichungen in Le Monde arg unter Druck geraten. Er hat bereits rigorosere wissenschaftliche Abklärungen und eine grosse öffentliche Debatte über GVOs versprochen. Eine öffentliche Diskussion ist nach Meinung kritischer KonsumentInnen- und Umweltorganisationen nur unter zwei Bedingungen sinnvoll: Erstens muss sie der Aufhebung des bestehenden Moratoriums  vorangehen. Frankreich muss deshalb im Europäischen Rat für Landwirtschaft und Fischerei, der sich in dieser Woche trifft, Nein stimmen, wenn auf Wunsch Luxemburgs über die Aufhebung des Moratoriums gegen den Bt 11 Mais von Syngenta verhandelt wird. Zweitens müssen die Resultate über die bisher durchgeführten Fütterungsversuche publiziert werden, damit ein echte Urteilsbildung über die Gesundheitsrisiken geführt werden kann.

Die Befürworter der Gentechnologie operieren mit allen Tricks, die sie so gerne den Anhängern des ökologischen Landbaus vorwerfen: Unaufrichtigkeit, uneinlösbare Versprechen und eine Haltung die als zutiefst unwissenschaftlich bezeichnet werden muss.

 

Johannes Wirz

 

[1]L'expertise confidentielle sur un inquiétant maïs transgénique, von Hervé Kempf