Am Tisch entscheidet sich das Wohl der Erde
Biolandwirtschaft kann die Welt ernähren, wenn die Menschen zu verlässlichen Partnern werden und ihre Essgewohnheiten verändern. Wie geht das? Worauf ist zu achten, um Lebensqualität und Erde zu erhalten?
Heute bedeutet «die Welt ernähren», dass die Landwirtschaft pro Kopf im globalen Durchschnitt etwa einen Drittel zu viel produziert, der dann nicht verwendet, sondern weggeworfen wird. Es bedeutet auch, dass wir etwa einen Drittel unseres Bedarfs aus tierischen Produkten decken.
Grosse Anteile des Futters dieser Tiere kommen von Ackerland, auf dem wir Nahrungsmittel für die Menschen anbauen könnten. Das heisst, dass die Umweltwirkungen pro Hektare oft weit über den Grenzen der Tragfähigkeit der lokalen Ökosysteme liegen. Und dass die globalen Auswirkungen wie Treibhausgasemissionen bei Weitem nicht mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sind.
Kurz gesagt, unser Ernährungssystem ist unserem Planeten Erde nicht angepasst, es ist viel zu gross.
Auf Nährstoffflüsse achten
Die vertretbare Grösse des Ernährungssystems können wir aus der Idee geschlossener Kreisläufe ableiten. Dabei sollten bezüglich sinnvoller lokaler und regionaler Ökosystemgrenzen keine Netto-Nährstoffflüsse auftreten. Dies ist heute nicht der Fall. Importierte Futtermittel und die Nutzung von Mineraldünger führen zu massiven Nährstoffzuflüssen, die keinen Bezug zur Fläche der lokalen Ökosysteme aufweisen und so auch innerhalb dieser nicht nachhaltig verarbeitet werden können. Mit dem Effekt, dass entsprechende Mengen nicht genutzt werden und die Umwelt belasten.
Durch Verzicht auf Mineraldünger und importierte Futtermittel können wir dies vermeiden. Der Gewinn ist eine Reduktion der totalen Umweltbelastungen bei gleichzeitiger tieferer Intensität pro Hektare. Das heisst, die Erträge würden auch etwas sinken – wie wir es aus der Biolandwirtschaft kennen.
Abfälle reduzieren, bewusster konsumieren
Müssten wir also mit Biolandwirtschaft die Flächen ausdehnen, um gleichviel zu produzieren? Ja, müssten wir. Aber kommen wir zurück zum Anfang: Müssen wir so viel produzieren wie heute und dann einen Drittel wegwerfen oder verlieren, muss das Ernährungssystem so gross sein? Nein. Wir können die Abfälle und Verluste reduzieren und wir können den Flächenbedarf für die Futtermittelproduktion verringern. Die Folge – weniger Fleisch, Milch und Eier für unseren Konsum, aber nicht weniger, also genügend Kalorien und Protein für alle. Weniger Flächenbedarf, aber trotzdem keine erhöhte Intensität der Flächennutzung. Weniger lokale und globale Umweltbelastungen, aber trotzdem eine global gesicherte Ernährung.
Tönt das zu schön, um wahr zu sein? Nein – aber wir müssen uns bewusst machen, was es für unsere Essgewohnheiten bedeutet. In einem solchen System wäre noch ein Viertel der tierischen Produkte von heute verfügbar – entsprechend müssten wir unseren Menuplan umstellen. Das ist sehr wohl machbar, ohne dass alle Vegetarier oder Veganer werden müssen. So wie das Klimaproblem über Jahrzehnte durch eine Unzahl individueller Konsumentscheidungen entstand und weiter verschärft wird, so kann es auch gelöst werden: Unsere täglichen Entscheide bestimmen, ob sich etwas ändert oder nicht. Im Bereich Ernährung sähe es wie vorne beschrieben aus: Weniger Fleisch und andere tierische Produkte konsumieren und vor allem weniger Nahrungsmittel wegwerfen.
Auch nicht normierte Ware gehört auf den Tisch
Aber als Konsumenten haben wir doch nicht alles im Griff, oder? Wenn die Anbieter zum Beispiel nur eng normierte Ware verarbeiten können, wird alles andere zu Abfall. Stimmt, aber wenn wir bereit sind, mehr für Nahrungsmittel auszugeben, dann kann auch nicht normierte Ware mit komplexeren Lieferketten verkauft werden. Generell ist unser Essen zu billig – was wir dadurch an individuellen Kosten einsparen, wird in Form von Umweltbelastungen und deren Sanierung an die Gesellschaft ausgelagert, d. h. die daraus entstehenden Schäden werden indirekt durch unsere Steuern bezahlt.
Wir können also täglich handeln, indem wir wenig wegwerfen und wenig tierische Produkte essen. Wir können im weiteren Rahmen handeln, indem wir uns für eine griffige Umweltpolitik einsetzen und entsprechend wählen und abstimmen.
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Dr. sc. nat. Adrian Müller, Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL