
« Am Anfang stand der Landwirtschaftliche Kurs von 1924. »
Zur Zukunft der Landwirtschaft
Seit 46 Jahren erforscht die Wissenschaft im Langzeitversuch DOK die Auswirkungen der in der Schweiz üblichen landwirtschaftlichen Anbausysteme. Erstmals kommen nun diese anerkannten Forschungsresultate in die breite Öffentlichkeit. Die Aussage ist eindeutig: Zukunftsfähig ist die Biolandwirtschaft, insbesondere die biodynamische. Nur diese beiden stellen langfristig die Nachhaltigkeit unserer Böden und damit die Bodenfruchtbarkeit sicher. Ihre boden- und pflanzenschonende Bewirtschaftung erhält die für Mensch und Natur notwendige Biodiversität, die Qualität der Lebensmittel, das gesunde Gleichgewicht. Überdies schont Biolandbau die Ressourcen und produziert effizient.
In drei Punkten hebt sich das biodynamische System (Demeter) signifikant von allen andern ab: Einzig hier findet über Jahre ein steter Humusaufbau statt, die Böden sind lebendiger und die Klimawirkung ist viel geringer. Um diese Prozesse zu verstehen, sind weitere Forschungen notwendig.
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Wie aus Fragen ein Langzeitversuch wurde
Text: Dr. Paul Mäder (FiBL), Dipl. Ing. Agr. Otto Schmid (FiBL) und Susanna Küffer Heer
Der Ursprung des DOK-Versuchs geht auf die frühen 1970er Jahre zurück. Synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel hielten vermehrt Einzug in die Landwirtschaft, und die damalige Landwirtschaftspolitik war auf Ertrags- und Gewinnmaximierung nach industriellem Vorbild ausgerichtet. Schon damals wiesen aber weitsichtige Menschen auf die Risken einer industriell ausgerichteten Landwirtschaft hin.
Steigendes Interesse dank Ökobewegung
Rachel Carson publizierte 1962 ihr heute noch vielzitiertes Werk «Der stumme Frühling», in welchem sie auf den dramatischen Rückgang der Biodiversität durch Pestizide hinwies, namentlich auf den Rückgang der Vogelstimmen im Frühling. Besorgte Wissenschaftler, die im «Club of Rome» zusammengeschlossen waren, äusserten 1972 aufgrund von Modellberechnungen ihre grossen Bedenken in Bezug auf den Ressourcenverbrauch. Sie sagten voraus, dass der CO2-Gehalt in der Atmosphäre durch das Verbrennen von Kohle und Erdöl drastisch ansteigen werde, mit unabsehbaren Folgen für das Klima.
Die Industrialisierung der Landwirtschaft mit dem vermehrten Einsatz von synthetischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln förderten eine zunehmende Abhängigkeit der Landwirt*innen von diesen Hilfsstoffen. Immer mehr Konsument*innen machten sich Sorgen um ihre Gesundheit. Im Zuge der wachsenden Ökobewegung der 1970er Jahre stieg das Interesse an der Biolandwirtschaft, auch wenn es damals in der Schweiz lediglich einige hundert Biobetriebe gab – heute sind es knapp 8000.
Die Grundlage der biodynamischen Landwirt*innen – sie waren schon damals unter dem Demeter-Label zusammengeschlossen – ist der «Landwirtschaftliche Kurs», den Rudolf Steiner 1924 gegeben hat. Er betonte, dass die Erde ein lebendiger Organismus ist und dass Lebenskräfte im Zusammenspiel von Boden, Pflanzen und Tieren eine wichtige Rolle spielen.
Die Begründer der bioorganischen Produktionsrichtung, Hans Müller und Hans-Peter Rusch, stellten in den 1940er Jahren den Kreislauf der lebendigen Substanz und die Förderung des Bodenlebens ins Zentrum. Viele der Grundgedanken der Pioniere haben zum heutigen Verständnis des biologischen Landbaus beigetragen.
Wie kommt der Stein zum Vergleichsversuch DOK ins Rollen?
Wären da nicht drei verschiedene, an Landwirtschaft interessierte Gruppierungen herausragender Persönlichkeiten gewesen, die durch glückliche Fügung anfangs der 1970er Jahre aufeinandergetroffen sind, würde es wohl keinen DOK-Versuch geben.
Der Professor1
Der junge Wissenschaftler Philipe Matile, ordentlicher Professor für Allgemeine Botanik an der ETH Zürich, wohnte Anfang der 1970er Jahre auf dem Hof Breitlen in Hombrechtikon ZH, wo Emil Meier seit Jahren einen biodynamischen Betrieb führte. Er war sehr beeindruckt von diesem Hof. Denn entgegen der gängigen Lehre wuchsen auf diesem Betrieb auch ohne synthetischen Dünger und Pflanzenschutz ertragreiche Kulturpflanzen, und die Milchviehhaltung auf dem Betrieb florierte. Inspiriert durch seine Beobachtungen schrieb Matile einen kritischen Artikel zur konventionellen Landwirtschaft und entwarf 1969 ein Konzept für eine Bioversuchsanstalt.
Professor Matile brachte 1970 zusammen mit Kollegen aus der bäuerlichen Praxis mit einer Motion im Bundesparlament von Nationalrat Heinrich Schalcher den Stein ins Rollen. Auch wenn die Initianten mit der Forderung nach einer Forschungsanstalt für biologischen Landbau vorerst nicht erfolgreich waren, führte die Initiative doch dazu, dass die vergleichende Biolandbauforschung intensiviert wurde und eine private Stiftung zur Förderung des biologischen Landbaus gegründet wurde.
Die Forscher2
Die Idee, einen Vergleich zwischen biodynamischer, bioorganischer und konventioneller Landwirtschaft zu starten, entstand aber auch in Gesprächen zwischen dem ersten FiBL- Direktor Hardy Vogtmann und Jean-Marc Besson, der gleichzeitig wie Vogtmann an der ETH Zürich seine Promotion schrieb und dann an der Eidgenössischen Versuchsanstalt Liebefeld (heute Agroscope) in der landwirtschaftlichen Forschung tätig war. Vogtmann beschreibt die Zusammenarbeit in einem Gespräch zur Geschichte des DOK: «Besson beschäftigte die Tatsache, dass die damaligen wissenschaftlichen Kenntnisse und die Realität der biologischen Höfe nicht übereinstimmten: ‹Ich habe jetzt wieder die Analysen von den biologischen Höfen. Also die düngen keinen Phosphor, haben wahnsinnig wenig Phosphor im Boden, und die müssten eigentlich Probleme mit ihren Tieren haben. Aber die Kühe geben immer noch Milch. Das kann doch nicht sein. Wie kriegen die das hin? Nach Lehrbuchwissen stimmen die chemischen Werte nicht, da muss was anderes dahinterstecken.›
Er hat viele biologische Höfe besucht», so Vogtmann weiter, «und hat immer gerätselt, was denn da im Boden abläuft, ob denn Phosphor doch verfügbar gemacht wird und wie. Und dann hat er vorgeschlagen, dies gemeinsam zu untersuchen. Im Gespräch mit Professor Matile entstand dann die Idee, der Sache auf den Grund zu gehen und zu erforschen, was da überhaupt im Boden abläuft. Und dann kam noch Professor Vittorio Delucchi von der ETH Zürich dazu. Er war sehr angetan von der Idee und sagte: ‹Wenn wir das schon machen, dann müssen wir natürlich einmal sehen, wie das geht mit dem biologischen Pflanzenschutz. Braucht es dann überhaupt noch einen chemischen Pflanzenschutz?›»
Die Landwirt*innen3
Anfang der 1950er Jahre wurde eine Gruppe Agronomen und Bauern von Prof. Friedrich Eymann, Gründer der «Freien pädagogischen Vereinigung des Kantons Bern», auf die schwierige Situation der Landwirtschaft aufmerksam gemacht. Er sagte ihnen: «Ihr müsst etwas tun für die Landwirtschaft! Es kommt sonst nicht gut heraus.» Die Gruppe traf sich regelmässig und arbeitete im Stillen an dieser Fragestellung weiter. Der Landwirt Fritz Baumgartner, einer der Pioniere der biodynamischen Bewegung in der Schweiz, war Mitglied dieser Gruppe; die Zukunft der Landwirtschaft hat ihn zeitlebens beschäftigt. Durch besondere Umstände ergab es sich, dass das Büro des ersten FiBL-Leiters, Hardy Vogtmann, auf dem von Fritz Baumgartner geführten Bruderholzhof in Oberwil (Basel-Landschaft) angesiedelt war.
Die Geburtsstunde der Bioforschung
Weil für die Bio-Richtung keine Forschungseinrichtung bestand, gründeten Landwirte, Vertreter aus der Forschung, der Wirtschaft und der Verwaltung das private Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Eine Stiftung übernahm 1973 die Trägerschaft. Mit Hardy Vogtmann wurde ein engagierter Leiter des Instituts gefunden, der das Wissen von Biolandwirt*innen sammelte, ein Mitarbeiterteam bildete und ein grosses Netzwerk an Unterstützern aufbaute. Schon 1977 konnte auch der erste Bioberater, Otto Schmid, angestellt werden.
Für die Detailplanung des DOK-Versuchs arbeitete Vogtmann eng mit praktizierenden Landwirten zusammen: Fritz Baumgartner von der biodynamischen und Werner Scheidegger von der bioorganischen Richtung. Josef Lehmann von der Versuchsanstalt für Agrikulturchemie Liebefeld (heute Agroscope) vertrat das konventionelle Anbausystem. Fachkollegen von der ETH und der Universität Stuttgart-Hohenheim unterstützten das DOK-Team von Anfang an im Bereich Pflanzenbau und Statistik.
Das 46. Versuchsjahr läuft
Die Anfänge des DOK waren auf dem Bruderholzhof in Oberwil (Basel-Landschaft). Weil das Gelände und der Boden aber nicht genügend einheitlich waren, wurde dieser Feldversuch nach wenigen Jahren beendet. In Therwil (Basel-Landschaft) legten 1978 Hardy Vogtmann und Jean-Marc Besson den heutigen DOK-Versuch an, wo er nun in seinem 46. Versuchsjahr läuft. Bis heute ist eine beratende Gruppe von Landwirt*innen aktiv und unterstützt das DOK-Forscherteam von Agroscope und FiBL bei der Bewirtschaftung und Verbreitung der Forschungserkenntnisse. Dies sichert eine praxisnahe Bewirtschaftung der Versuchsparzellen, sodass im Feldversuch real existierende Ackerbausysteme abgebildet werden.
Der Versuch hat gezeigt, dass Bio mit 50 Prozent weniger Dünger und Energie sowie ohne synthetischen Pflanzenschutz über Jahrzehnte gute Erträge liefert, die Bodenfruchtbarkeit fördert, das Klima schont und die Biodiversität erhöht. Ermöglicht hat den DOK-Versuch das grosse Engagement der Mitarbeitenden von FiBL und Agroscope sowie die langjährige finanzielle Unterstützung des Bundesamts für Landwirtschaft, dutzender Spezialprojekte des Schweizerischen Nationalfonds und der EU sowie Stiftungen.
Die Bedeutung des DOK
Die Ergebnisse sind nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht relevant, sondern auch für die Bildung auf allen Stufen. Sie liefern wichtige Grundlagen für die Agrar- und Umweltpolitik. Bei der Sensibilisierung der Gesellschaft in Fragen der Landwirtschaft und Ernährung fällt dem DOK-Versuch eine wichtige Rolle zu. Er hat viel dazu beigetragen, dass der bioorganische (Bio Suisse) und der biodynamische (Demeter) Landbau in der Forschung und in der Praxis ernst genommen werden. Der Biolandbau ist aktueller denn je: Er vereint die Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft und der Agrarökologie zu einem Gesamtsystem.

Quellenangaben
1. Thomas Alföldi, Zwischen Zorn und Zärtlichkeit - Die Geschichte des Biolandbaus in der Schweiz (2012).
Teil 1: http://www.youtube.com/watch?v=ssS0FfHdaQk
Teil 2: http://www.youtube.com/watch?v=yewEshBah9c
2. Die Anfänge des FiBL. Thomas Alföldi. FiBL Podcast. Script sachgemäss angepasst.
https://www.youtube.com/watch?v=8_K3yTwLZbU
3. Anet Spengler und Markus Bär: Anna, Fritz – und «die Sache», ISBN: 978-3-9524758-2-9
Schriftenreihe «Pioniere der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Band 3. Verein für biologisch-dynamische Landwirtschaft», Schweiz
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