FondsGoetheanum: Wirtschaft

Mit Landfreikauf zum Hof

Der Verkehrswert eines Hofes liegt rund dreimal höher als der Ertragswert. Wie eine Familie auf dem Randen – dank solidarischem Landfreikauf – trotzdem zu einem Hof kam, den sie sich eigentlich nicht leisten konnte, lesen Sie hier.

Herman lutke Schipholt bewirtschaftet seit 14 Jahren zusammen mit seiner Frau Regina den Randenhof bei Siblingen, Kanton Schaffhausen. Sie haben den Hof in Pacht. Ende 2010 war im Dorf ein Hof zu kaufen. Die beiden reichten ein Angebot ein. Die Pacht zusammen mit dem neuen Hof ergibt eine Betriebsgrösse, welche eine gemeinsame Bewirtschaftung mit den Söhnen erlaubt und damit gleichzeitig das Nachfolgeproblem löst.

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Landwirt Herman lutke Schipholt mit einigen seiner Tiere. Der Hofkauf wurde dank zinslosen Darlehen, Spenden und Bürgschaften möglich. Ein Schulbeispiel.

Kaufpreis dreimal höher als Ertragswert.

Der Kaufpreis entsprach in etwa dem Verkehrswert, d.h. der Wert des Hofes gerechnet auf der Basis der aktuellen Preise des Landes in der Landwirtschaftszone und der landwirtschaftlichen Gebäude. Land, Boden unterliegt der Spekulation und wird immer teurer, auch in der Landwirtschaft. Ein Landwirtschaftsbetrieb ist bezüglich Ertrag beschränkt. Er kann einen bestimmten, aus langjähriger Erfahrung von den Landwirtschaftsämtern errechneten Ertrag in Franken erzielen. Dieser bildet die Berechnungsgrundlage für den Ertragswert. Erfahrungsgemäss entspricht heute der Verkehrswert, also der Kaufpreis, etwa dem Dreifachen des Ertragswertes. In Zahlen: Ist der Ertragswert eines Hofes CHF 300'000, so liegt der Kaufpreis bei ca. CHF 900'000. Wie kann der Bauer die Differenz von etwa CHF 600'000 finanzieren?

Die Erträge reichen nicht aus zur Finanzierung des Verkehrswertes

Konkret heisst das: Wenn ein Bauer einen Hof zum Ertragswert kaufen kann, dann sind die Kapitalkosten bei guter Bewirtschaftung in einem vernünftigen Rahmen. Wenn jedoch die Höfe zum dreimal so hohen Verkehrswert gekauft werden müssen, kann sich das nur leisten, wer bereits über ein ansehnliches Vermögen verfügt.

Als Ergänzung dazu noch folgender Gedanke: Jede andere industrielle Produktion muss kostendeckend arbeiten und berechnet dementsprechend die Preise. Würden die Preise für die landwirtschaftlichen Produkte den effektiven Produktionskosten entsprechen, hätten wir in der Landwirtschaft dieses schier unlösbare Problem nicht.

Die Altersvorsorge steckt im Hof

Es ist noch komplexer. Betrachten wir die Situation der Bäuerinnen und Bauern, welche aus Altersgründen ihren Hof verkaufen müssen, weil keines der Kinder ihn weiterführen will, obschon in der direkten Erbfolge der Betrieb zum Ertragswert weitergegeben wird. Die ältere Generation der Bäuerinnen und Bauern mit eigenem Hof investierte kaum in eine Altersvorsorge, sondern steckte das verfügbare Geld laufend in die Weiterentwicklung ihres Betriebes. Bei Aufgabe ihres Betriebs sind diese Bäuerinnen und Bauern gezwungen, zur Finanzierung ihrer Altersvorsorge den Betrieb über dem Ertragswert zu verkaufen.

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Herman lutke Schipholt: «Geld fängt an zu stinken, wenn es nicht umgesetzt wird, genau wie der Mist.»

70 Personen ermöglichen den Kauf

Herman lutke Schipholt sah, dass er diesen Betrieb nur kaufen kann, wenn er die Differenz zwischen dem bezahlten Verkehrswert und dem Ertragswert anders finanzieren kann. Er hatte Glück. Etwa 70 Personen aus dem Umkreis des Hofes haben mit langfristigen zinslosen Darlehen, Spenden und Bürgschaften geholfen, den Hof zu kaufen.

Zwei Faktoren verunmöglichen vernünftige ökonomische Bedingungen für junge Bäuerinnen und Bauern: der durch die Landspekulation übermässige hohe Verkehrswert (Kaufpreis) und die Einschränkung, dass der Kauf von Höfen durch Stiftungen, Vereine, Genossenschaften, usw. nicht möglich ist, sogar mit entsprechendem Stiftungszweck. Diese könnten jedoch die Differenz zwischen Verkehrswert und Ertragswert finanzieren. Damit könnten sie das Land der Spekulation entziehen und Jungbauern die Möglichkeit bieten, sich ihren Traum zu erfüllen.

Neue Erkenntnisse gewonnen

Durch die Beschäftigung mit diesen Fragen, durch seine vielen Gespräche mit Banken und Stiftungen sowie Privatpersonen sieht Herman lutke Schipholt die verschiedenen Dimensionen des Geldes und sucht zusammen mit dem Verein für biologisch-dynamische Landwirtschaft nach Lösungen.Deutlich ist zum einen, dass die «Produktion» auf dem Bauernhof eigenen Gesetzen folgt. Bei den Pflanzen liegen die Bedingungen des Wachsens und Gedeihens insbesondere im Boden und am Klima, also bei Sonne, Regen, Wind, d.h. ausserhalb des menschlichen Einflussbereiches, der Bauer kann lediglich notwendige Korrekturmassnahmen treffen. Ähnlich ist es bei den Tieren. Auf den biodynamischen Höfen werden sie artgerecht gehalten und gefüttert. Sie werden nicht zu hohen Produktionsleistungen gezwungen. Ihr Wesen wird respektiert.

Zum andern: Sobald die Produkte den Hof verlassen, wird der Bauer zum wirtschaftlich Handelnden.

Aus dem Erlös der Produkte muss er den Pachtzins oder den Hypothekar- und Darlehenszins bezahlen, muss landwirtschaftliche Maschinen anschaffen, die Ausbildung seiner Kinder finanzieren und das für sich und den Hof Notwendige kaufen können. 

Bio- und Demeterhöfe der Spekulation entziehen

Wenn die Bio- und biodynamische Bewegung auch in Zukunft wachsen sollen, müssen Höfe der Spekulation entzogen werden. Das ist eine Aufgabe, die alle angeht, Bauern, Konsumenten, Banken und auch die Behörden. Alle sind aufgefordert, gemeinsam eine Lösung zu finden.

Der Boden ist uns nicht zum Besitz, sondern zur Pflege und Nutzung anvertraut. Wenn dieses Bewusstsein wächst, wird der Handel und der Umgang mit Grund und Boden ein anderer. Das wird die Landwirtschaft verändern.

 

Fallbeispiel wirksamer finanzieller Entlastung

Zinslose Darlehen und Entschuldung

Seit vielen Jahren unterstützen der «Konsumentenverein Bern» sowie die «Stiftung für Mensch, Mitwelt und Erde» die biodynamischen Höfe bei der Finanzierung. Es ist ein einfaches, aber wirksames Modell, das sie anbieten. Sie leihen den Bauern Geld in Form eines zinslosen Darlehens. Bedingung ist, dass das Darlehen nach einer gemeinsam festgelegten Zeit zurückbezahlt ist.

Die jährliche Amortisationsrate wird im Gespräch zwischen Geldgeber und Betriebsleiter festgelegt. Bevor das Geld fliesst, besuchen die Geldgeber den Hof und lernen so die Situation des Hofs und die Menschen kennen. Das schafft gegenseitiges Vertrauen. Zinslose Darlehen sind eine grosse finanzielle Entlastung.

Ein ähnliches Modell mit ebenso positiver Wirkung bietet die Stiftung zur Förderung der Rudolf Steiner Pädagogik in der Schweiz an.