Sorten auch für die nächsten Generationen
Gespräch mit Anno Lutke Schipholt. Er ist ein junger, umsichtiger biodynamischer Bauer. Nach Lehr- und Wanderjahren auf verschiedenen Höfen, u.a. auch in Australien, bewirtschaftet er seit zwei Jahren zusammen mit seiner Frau einen biodynamischen Landwirtschaftsbetrieb in Siblingen.
Wie beurteilen Sie die Leistung der biologisch-dynamischen Pflanzenzüchter?
Für die biodynamischen und Bio-Höfe ist es wichtig, dass uns Saatgut zur Verfügung steht, das robust und krankheitsresistent ist und einen durchschnittlich guten Ertrag hat. Für die biodynamischen und auch viele Bio-Betriebe hat hohe Qualität erste Priorität, und nicht möglichst hoher Ertrag. Ich bin dankbar, dass wir heute von Peter Kunz qualitativ sehr gutes Bio-Getreidesaatgut haben.
Wieso säen Sie diese Getreidesorten?
Die Dinkelsorte Ostro und der Weizen Viva sind ideal geeignet für uns; sie kommen mit der natürlich vorhandenen Menge Stickstoff in den Bioböden problemlos zurecht – im Vergleich zum konventionellen Getreideanbau ist das deutlich weniger. Sie passen sich dem jeweiligen Standort und den Wetterverhältnissen gut an, unabhängig vom Wetter bringen sie einen vernünftigen Ertrag. Die Auswuchsgefahr in nassen Sommern wie diesem ist gering.
Erntesicherheit ist also ein wichtiges Argument, diese Sorten einzusetzen, gibt es noch weitere?
Dieses Saatgut ist nachbaufähig, deshalb vermehren wir die Hälfte unseres Saatguts ohne Qualitätsverlust selbst. Für das von mir selbst vermehrte Saatgut schicke ich dem Züchter jedes Jahr eine Spende für seine weitere Arbeit. Ein weiterer Grund sind die Grannen an den Ähren, welche viele dieser Getreidesorten haben. Unser Hof liegt in einem Gebiet mit vielen Wildschweinen, Getreide mit Grannen mögen sie nicht und lassen deshalb das Getreide stehen.
Wenn ich dieses Saatgut kaufe weiss ich, dass ich Saatgutzucht unterstütze, die zukunftsfähig ist, getragen von einer hohen moralisch-ethischen Verantwortung und dem Willen, uns Bauern und den Konsumenten zu dienen und nicht Aktionären und Investoren.
Ich ziehe den Hut vor dieser über dreissigjährigen, fruchtbaren Arbeit. Wenn ich bedenke, dass die Konkurrenz der Biozüchter die Multis mit viel Geld sind, dann verdient diese Leistung umso grössere Anerkennung.
Können Sie alles Saatgut in nachbaufähiger Qualität kaufen?
Mit Getreide ist ein sehr guter Anfang gemacht. Aber uns fehlt noch das Saatgut für die Spezialkulturen. Wichtig sind auch hier robuste Sorten von sehr guter Qualität, welche einen regelmässigen Ertrag geben. Mir ist gute Qualität wichtiger als hoher Ertrag.
Was wünschen Sie sich von den Konsumenten?
Ich wünsche mir, dass immer mehr Konsumenten realisieren, dass die Qualität der Lebensmittel, die Qualität unseres Essens unsere körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und unser Befinden beeinflussen. Lebensmittel sollen frisch sein und nicht über Hunderte oder Tausende von Kilometern in die Schweiz transportiert werden. Auf den Punkt gebracht: Ich wünsche mir, dass die Schweizer Konsumenten biodynamische und Bio-Produkte aus der Schweiz bevorzugen.
Ein weiterer Wunsch ist, dass die Konsumenten sich für meine Arbeit interessieren. Ich würde mich freuen, ihnen meinen Betrieb zu zeigen und mit ihnen über die Zukunft der Landwirtschaft zu diskutieren, und auch über den Welthunger. Ich sehe nicht, dass GVO-Saatgut dieses grosse Problem löst, im Gegenteil. Es macht die Bauern abhängig von den Multis, sie müssen Saatgut, Pestizide und Dünger kaufen. Aus dem Ernteerlös bleibt ihnen deshalb nur wenig Geld, sie werden immer ärmer. Das schränkt ihre Freiheit, ihre Handlungs- und Entwicklungsfähigkeit ein.
Wieso engagieren Sie sich als junger biodynamischer Bauer so sehr für dieses Saatgut?
Meine kleine Tochter und ihre Altersgenossen sollen in 25 Jahren noch mehr qualitativ gute Produkte aus biodynamisch gezüchtetem Saatgut kaufen können, damit ihre Kinder körperlich und geistig gesund und leistungsfähig sein werden.
Besten Dank für dieses Gespräch.