FondsGoetheanum: Zukunft Landwirtschaft

Zur Zukunft der Landwirtschaft

 

Seit 46 Jahren erforscht die Wissenschaft im Langzeitversuch DOK die Auswirkungen der in der Schweiz üblichen landwirtschaftlichen Anbausysteme. Erstmals kommen nun diese anerkannten Forschungsresultate in die breite Öffentlichkeit. Die Aussage ist eindeutig: Zukunftsfähig ist die Biolandwirtschaft, insbesondere die biodynamische. Nur diese beiden stellen langfristig die Nachhaltigkeit unserer Böden und damit die Bodenfruchtbarkeit sicher. Ihre boden- und pflanzenschonende Bewirtschaftung erhält die für Mensch und Natur notwendige Biodiversität, die Qualität der Lebensmittel, das gesunde Gleichgewicht. Überdies schont Biolandbau die Ressourcen und produziert effizient.

In drei Punkten hebt sich das biodynamische System (Demeter) signifikant von allen andern ab: Einzig hier findet über Jahre ein steter Humusaufbau statt, die Böden sind lebendiger und die Klimawirkung ist viel geringer. Um diese Prozesse zu verstehen, sind weitere Forschungen notwendig.

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Zurück in die Zukunft – zur Kreislauflandwirtschaft

In der Kreislauflandwirtschaft sind die Kühe aus zwei Gründen zentral wichtig: mit ihren vier Mägen verwandeln sie das für uns Menschen unverdauliche Gras und Heu in Milch und Fleisch, und ihr Mist ist der wertvollste Dünger in der Landwirtschaft ©Demeter

Der ideale Bauernhof ist Ausgangspunkt in diesem Artikel von Alfred Schädeli. Was hat dies mit dem biologischen und biodynamischen Landbau zu tun? Erfahren Sie hier die Pluspunkte der landwirtschaftlichen Kreislaufwirtschaft. Sie ist seit jeher Grundlage der biodynamischen Landwirtschaft.

Text: Alfred Schädeli, Landwirt, Präsident Verein für biologisch-dynamische Landwirtschaft

Wenn meine Grosskinder Bauernhof spielen, nehmen sie zuerst eine Kuh, dann eine zweite und eine dritte. Dann den Muni, ein Schwein, einen Güggel und ein paar Hühner, eine Geiss, ein Schaf, den Bauern mit Mistgabel und vielleicht ein Pferd. Der Traktor, Marke Fendt, mit Kippanhänger, und das Güllefass dürfen nicht fehlen. Ein Mähdrescher muss auch noch her. Diese Idylle ist in der realen Landwirtschaft immer weniger zu finden. Aber in der Vorstellung der Kinder wie auch von uns Erwachsenen lebt sie weiter.

Der ideale Bauernhof

Auf dem idealen Bauernhof, wie wir ihn uns ausmalen, grasen Kühe, Ziegen und Schafe auf der Weide, werden Wiesen gemäht und Heu bereitet, das für den Winter in die Scheune auf den Heustock kommt. Die Bauersleute stehen in einer engen Beziehung zu ihrem Vieh, versorgen es tagtäglich und bringen dessen Mist als wertvollen Dünger auf die Felder. Dort bauen sie Getreide, Kartoffeln und Gemüse an. Das Stroh vom Kornfeld streuen sie im Stall aus, um den Tieren im Winter eine warme, trockene Liegefläche zu bieten. Zu kleine Getreidekörner legen sie den Hühnern als Futter vor, den Schweinen sind die Resten aus der Küche, die Rüstabfälle vom Gemüseacker und die Molke aus der Käserei zugedacht.

Gewiss, längst nicht jede Idylle verdient es, konserviert zu werden. Unsere Welt verändert sich, und es ist in vielen Fällen angebracht, alte Zöpfe abzuschneiden und neue Lösungen für die Zukunft zu finden. Doch einige alte Zöpfe haben sich bestens bewährt.


Kreislaufwirtschaft bringt’s

Ein wunderbarer alter Zopf ist die Kreislaufwirtschaft. Sie gilt es als Grundidee zu bewahren und in eine zukunftsfähige Form zu führen. Denn die geschickte Verschränkung von Pflanzenbau und Tierhaltung schafft eine solide Grundlage für eine schonende Lebensmittelerzeugung, die den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist. In unserem Land ist sie ebenso rückläufig wie auf der ganzen Welt. Doch es gibt auch Hoffnung, eine Gegenbewegung, welche den Wert vielfältiger Betriebe erkennt.


Pflanzen und Tiere schaffen Boden

Eine nachhaltige Landwirtschaft ist der Natur abgeschaut und baut auf sie auf. In der Natur stehen Boden, Pflanzen und Tiere in einer engen Wechselwirkung. Überall auf der Erde, wo sich die Gelegenheit bietet, entsteht sogleich Boden, wachsen Pflanzen und siedeln sich Tiere an. Das gilt im Kleinen wie im Grossen. Sammelt sich in einer Felsspalte im Hochgebirge oder zwischen den Verbundsteinen eines Parkplatzes nur die geringste Menge Sand und Staub, erscheinen sofort Moose, Algen, Pflanzen, Würmer und Insekten. Es entsteht fruchtbarer Boden. Nach demselben Prinzip konnte sich die gesamte Vegetation auf unserem Planeten etablieren. Pflanzen, Tiere und Bodenlebewesen haben den Boden aufgebaut, auf dem die Pflanzen und Tiere wachsen und sich vermehren können.

Vom Jäger zum Erbauer grosser Zivilisationen
Weil die Natur bekanntlich verschwenderisch ist, schenkte sie unseren frühen Vorfahren Nahrung und Kleidung. Sie sammelten Früchte, Blätter und Wurzeln und jagten Tiere oder zogen als Hirten mit Herden über die Steppen. Später wurden sie sesshaft, bebauten Äcker und hielten Tiere auf der Weide. So entstand eine ursprüngliche Form von Landwirtschaft. Als Vorbild diente Mutter Natur.

In der freien Natur entwickeln sich dem Standort angepasste Gesellschaften von Wildpflanzen und Wildtieren. Die frühe Landwirtschaft ergänzte diese durch den Anbau von Kulturpflanzen und die Haltung von Nutztieren. Sie bildete dadurch neue Verhältnisse, welche den Menschen mehr Nahrung boten und kulturelle Entwicklung ermöglichten. Was vor Jahrtausenden im besten Sinne eingebettet in die Natur begann, war ein Erfolgsmodell, wenngleich intensive Ackernutzung und Überweidung schon vor Jahrtausenden zur Zerstörung von Böden und zum Untergang grosser Zivilisationen geführt haben. Landwirtschaftssysteme mit der Kombination von Ackerbau und Viehwirtschaft haben in weiten Teilen der Welt unsere heutige Lebensweise ermöglicht. Allerdings ist diese Entwicklung in den vergangenen rund 150 Jahren zunehmend aus dem Gleichgewicht geraten.


Folgen der industrialisierten Landwirtschaft

Durch ihre Industrialisierung drängte die Landwirtschaft die Natur immer mehr an den Rand. Der Anteil an Kulturpflanzen stieg gegenüber den Wildpflanzen markant an, die Nutztierhaltung verdrängte die Wildtierpopulationen. Gemessen an der Biomasse von Säugetieren leben heute weltweit 15-mal mehr Nutztiere als Wildtiere1, in der Schweiz leben 15-mal mehr Nutzgeflügel als Wildvögel, Tendenz steigend2.

Dies hat negative Folgen für die Bodenfruchtbarkeit, das Grundwasser, das Klima und die Biodiversität: Die grosse Anzahl Nutztiere kann nur durch intensiven Ackerbau und Futtermittelimporte versorgt werden. Mehr als die Hälfte des in der Schweiz angebauten Getreides ist nicht für die menschliche Ernährung bestimmt, sondern landet im Futtertrog. Und das reicht bei Weitem nicht aus. Pro Jahr und pro Kopf unserer Bevölkerung werden 200 Kilo Futtergetreide und Futtersoja in unser Land importiert, um Eier, Fleisch und Milch zu produzieren.


Nachteile der spezialisierten Betriebsformen

Wie in grossen Teilen der Welt hat sich die Landwirtschaft auch in der Schweiz schon lange vom idealen Bauernhof in unserer Vorstellung verabschiedet. Kommt hinzu, dass die Spezialisierung der Produktion stark zunimmt, vor allem im Talgebiet. Dort sind heute 41 Prozent der Betriebe auf Pflanzenbau ausgerichtet, 45 Prozent auf Tierhaltung. Gerade noch 14 Prozent gelten als gemischte Betriebe, die Pflanzenbau und Tierhaltung verschränken3.

Das Zusammenspiel von Spezialisierung und Futtermittelimporten hat fatale Folgen. Denn mit dem zugeführten Futter werden auch Nährstoffe, vor allem Stickstoff und Phosphor, ins System geschleust. Höfe, die ihre Tiere mit zugekauftem Futter versorgen, bringen mit dem Mist und der Gülle zu viel Dünger auf die Felder.

Eine kleine Hühnerschar mit einem stolzen Hahn – er beschützt und warnt sie vor Gefahren - war früher auf vielen Höfen anzutreffen. Heute ist die Eierproduktion mit grösseren Herden eine Spezialisierung der Landwirtschaftsbetriebe. © Demeter

Der Kunstdünger-Teufelskreis

Die Industrialisierung und Spezialisierung der Landwirtschaft seit Beginn des 20. Jahrhunderts verlief Hand in Hand mit der chemischen Produktion von Stickstoffdünger, die weltweit immer noch zunimmt. Dieses energieaufwändige Verfahren ist gekoppelt an die Erdgasförderung. Die chemische Erzeugung von Stickstoffdünger trägt – zusammen mit dessen Verwendung – rund fünf Prozent zum weltweiten Treibhausgas-Ausstoss bei. 4 Zudem senkt sein Einsatz im Anbau die Resilienz der Kulturpflanzen, was mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln korrigiert wird. Dies wiederum vermindert die Biodiversität, belastet das Grundwasser und reduziert den Humusgehalt des Bodens. Dieser klassische Teufelskreis setzt weiteres CO2 frei. Die intensive Landwirtschaft entfernt sich immer weiter von nachhaltiger Bewirtschaftung. Wie erkläre ich das nur meinen Grosskindern?

Zum Glück gibt’s Widerspruch

Ein Hoffnungsschimmer: Das Konzept der intensiven, spezialisierten, von der Zufuhr chemischer Hilfsstoffe abhängigen Landwirtschaft erlebte von Beginn weg Widerspruch. Einerseits gab es zahlreiche Bäuerinnen und Bauern, die den Verheissungen der «Moderne» nicht trauten und an der traditionellen, vielseitigen Bewirtschaftung ihrer Höfe festhielten. Zu ihnen gehörten beispielsweise meine Grosseltern. Dann gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschiedene Strömungen, welche neue, schonende Wege der Lebensmittelerzeugung suchten und frühe Formen des biologischen Anbaus ausprobierten, etwa die Lebensreform-Bewegung, bekannt durch ihre Reformhäuser.

Einen Meilenstein setzte Rudolf Steiner 1924 mit dem «Landwirtschaftlichen Kurs». So wird eine Reihe von acht Vorträgen zu den «geisteswissenschaftlichen Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft» bis heute genannt. Sie regten die biodynamische Wirtschaftsweise an. Der Begründer der Anthroposophie hielt die Vorträge vor rund 130 Personen auf einem Landgut in Schlesien, wo die Industrialisierung der Landwirtschaft besonders weit fortgeschritten war. Die Teilnehmenden waren grösstenteils Landwirte oder Gutsbesitzerinnen, die erste negative Auswirkungen der «fortschrittlichen» Landwirtschaft auf die Böden, das Saatgut und die Produktqualität erkannt hatten.

Umfassender Hoforganismus

In seinem «Landwirtschaftlichen Kurs» skizzierte Steiner den Bauernhof als eigenständigen in die Natur und in die Landschaft eingefügten Organismus, aufbauend auf den Möglichkeiten, die der Boden bietet, und auf die Zufuhr von Kunstdünger und Futtermittel verzichtend. Der Hof versteht sich als vielfältiges Zusammenspiel von Pflanzenbau und Tierhaltung, die sich gegenseitig stützen, gelenkt von Bäuerinnen und Bauern. Zur Belebung der Bodenaktivität und zur Stärkung des gesunden Pflanzenwachstums beschreibt er eine zusätzliche Art von Düngung, die biodynamischen Präparate.

Eine zentrale Stellung nehmen die Wiederkäuer ein, vor allem Kühe, aber auch Ziegen und Schafe, die von Wiesen und Weiden leben – und zwar in vernünftiger Zahl, denn die Herdengrösse ist begrenzt durch die Futtergrundlage des Hofes. Das Verdauungssystem der Wiederkäuer mit vier Mägen vermag das für den Menschen unverdauliche Gras (und Heu) in Milch und Fleisch zu verwandeln und zudem einen Mist abzusondern, der für die Bodenfruchtbarkeit von hohem Wert ist. Der Mistkompost gelangt als vitalisierender Dünger auf die Ackerflächen, wo Getreide, Hülsenfrüchte, Ölsaaten und Gemüse für die menschliche Ernährung angebaut werden. Bäume und Sträucher liefern Obst, Nüsse, Beeren, Windschutz und Schatten und leisten einen Beitrag zur Landschaftspflege und zur Biodiversität.


Internationale Ausstrahlung

Die biodynamische Landwirtschaft hat in den 100 Jahren seit ihrer Begründung Fahrt aufgenommen und ist heute in über 60 Ländern auf allen bewohnten Kontinenten vertreten. Die Verschränkung von Pflanzenbau und Tierhaltung gehört bis heute weltweit auf kleinen und grossen Betrieben zu den Grundsätzen dieser Anbaumethode, deren Produkte unter dem Label Demeter auf den Markt kommen.

Ausserdem hat die biodynamische Landwirtschaft den Biolandbau inspiriert, der sich ebenfalls über den gesamten Globus verbreitet hat und eine beachtliche Breitenwirkung erzielt. In Europa werden bereits nahezu zehn Prozent der Landwirtschaftsfläche biologisch bewirtschaftet, in der Schweiz sind es 18 Prozent. Auf dieser Fläche kommen keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel und kein Kunstdünger zum Einsatz. Das Zusammenspiel zwischen dem Pflanzenbau, der Tierhaltung und der Pflege der natürlichen Bodenfruchtbarkeit ist auf biologischen Höfen weit verbreitet.

Die biologische und die biodynamische Landwirtschaft werden sich auch in Zukunft weiterentwickeln und weiter ausbreiten. Das gibt Hoffnung, denn dieser Trend beeinflusst die konventionelle Landwirtschaft, die sich in der Schweiz teilweise den nachhaltigen Methoden annähert. Ein Beleg dafür ist in unserer Landschaft zu erkennen, wo heute viel mehr Tiere auf der Weide zu sehen sind als noch vor wenigen Jahrzehnten. Das erzähle ich meinen Grosskindern gerne. Es wird sie freuen.

 

 

Quellenangaben

1 Yinon M. Bar-On et al. 2017: The biomass distribution on Earth, PNAS.
https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.1711842115

2 Knaus und Strebel 2022: Bestand und Biomasse von Brutvögeln und Nutzgeflügel in der Schweiz. Ornithologischer Beobachter 119, 74–80.

3 Bundesamt für Statistik: Landwirtschaftliche Strukturerhebung 2023
https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/land-forstwirtschaft/ landwirtschaft/strukturen.assetdetail.31927954.html

4 Yunhu Gao, André Cabrera Serrenho 2023: Greenhouse gas emissions from nitrogen fertilizers could be reduced by up to one-fifth of current levels by 2050 with combined interventions, Nature Food, Vol. 4, Feb. 2023, 170-178
https://tinyurl.com/39u5cyea

 

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