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I.P.V. Troxler in Rudolf Steiners GA

 

• 1] GA 18 (9. Aufl.), S. 343–345 + Anm. S. x

 

"Schon in der Zeit, als Hegel noch lebte und kurz nachher, fühlten einzelne Persönlichkeiten, wie sein Weltgemälde eben darin seine Schwäche bekundet, worin seine Größe liegt. Es führt die Weltanschauung zum Gedanken, nötigt dafür aber auch die Seele, ihr Wesen im Gedanken erschöpft zu sehen. Brächte es im oben geschilderten Sinne den Gedanken zu einem ihm eigenen Leben, so konnte dies nur innerhalb des individuellen Seelenlebens geschehen; die Seele würde dadurch als individuelles Wesen ihr Verhältnis zum gesamten Kosmos finden. Dies fühlte zum Beispiel Troxler; doch kam es bei ihm über ein dunkles Gefühl davon nicht hinaus. Er spricht sich 1835 in Vorträgen, die er an der Hochschule in Bern gehalten hat, in der folgenden Art aus: «Nicht erst jetzt, sondern schon vor zwanzig Jahren lebten wir der innigsten Überzeugung, und suchten in wissenschaftlicher Schrift und Rede darzutun, daß eine Philosophie und Anthropologie, welche den einen und ganzen Menschen und Gott und Welt umfassen sollte, nur auf die Idee und Wirklichkeit der Individualität und Unsterblichkeit des Menschen begründet werden könnte. Dafür ist die ganze im Jahre 1811 erschienene Schrift: 'Blicke in das Wesen des Menschen' der unwidersprechlichste Beweis, und der mit dem Titel 'Die absolute Persönlichkeit' überschriebene letzte Abschnitt unserer, in Heften vielfältig verbreiteten Anthropologie der sicherste Beleg. Wir erlauben uns demnach, aus letzterer die Anfangsstelle des erwähnten Abschnitts anzuführen: Es ist die ganze Natur des Menschen auf göttliche Mißverhältnisse in ihrem Innern gebaut, die in der Herrlichkeit einer überirdischen Bestimmung sich auflösen, indem alle treibenden Federn im Geiste, und nur die Gewichte in der Welt liegen. Wir haben nun diese Mißverhältnisse mit ihren Erscheinungen von der dunklen, irdischen Wurzel an verfolgt, und sind den Gewinden des himmlischen Gewächses nachgegangen, die uns nur einen großen, edlen Stamm von allen Seiten und in allen Richtungen zu umranken schienen; bis an den Wipfel sind wir nun gekommen, aber der erhebt sich unerklimmbar und unabsehlich in die obern, lichtem Räume einer andern Welt, deren Licht uns leise dämmert, deren Luft wir wittern mögen ...» [•] – Solche Worte klingen für den gegenwärtigen Menschen sentimental und wenig wissenschaftlich. Man hat jedoch nur nötig, das Ziel zu beachten, auf das Troxler zusteuert. Er will das Wesen des Menschen nicht in eine Ideenwelt aufgelöst wissen, sondern er sucht zu erfassen «den Menschen im Menschen», als die «individuelle und unsterbliche Persönlichkeit». Troxler will die Menschennatur verankert wissen in einer Welt, die nicht bloßer Gedanke ist; daher macht er darauf aufmerksam, daß man von etwas im Menschen sprechen könne, welches den Menschen an eine über die Sinneswelt hinausliegende Welt bindet, und das nicht bloßer Gedanke ist. «Schon früher haben die Philosophen einen feinen, hehren Seelleib unterschieden von dem gröberen Körper, oder in diesem Sinne eine Art von Hülle des Geistes angenommen, eine Seele, die ein Bild des Leibes an sich habe, das sieSchema nannten und das ihnen der innere höhere Mensch war.» Troxler selbst hat den Menschen gegliedert in Körper, Leib, Seele und Geist. Damit hat er auf das Wesen der Seele so hingewiesen, daß dieses mit Körper und Leib in die Sinnes-, mit Seele und Geist in eine übersinnliche Welt so hineinragt, daß sie in der letzteren als individuelles Wesen wurzelt, und nicht sich individuell nur in der Sinneswelt betätigt, in der geistigen Welt jedoch in die Allgemeinheit des Gedankens verliert. Nur kommt Troxler nicht dazu, den Gedanken als lebendigen Erkenntniskeim zu erfassen und etwa durch das Lebenlassen dieses Erkenntniskeimes in der Seele die individuellen Seelenwesensglieder Seele und Geist wirklich aus einer Erkenntnis heraus zu rechtfertigen. Er ahnt nicht, daß der Gedanke in seinem Leben sich zu dem gewissermaßen auswachsen könne, was als individuelles Leben der Seele anzusprechen ist; sondern er kann über dieses individuelle Wesen der Seele nur wie aus einer Ahnung heraus sprechen. – Zu etwas anderem als zu einer Ahnung über diese Zusammenhänge konnte Troxler nicht kommen, weil er zu sehr von positiv-dogmatischen religiösen Vorstellungen abhängig war. Da er aber einen weiten Überblick über die Wissenschaft seiner Zeit und einen tiefen Einblick in den Entwickelungsgang des Weltanschauungslebens hatte, so darf seine Ablehnung der Hegelschen Philosophie doch als mehr denn nur als aus persönlicher Antipathie entspringend angesehen werden. Sie kann als ein Ausdruck dessen gelten, was man aus der Stimmung des Hegelschen Zeitalters selbst heraus gegen Hegel vorbringen konnte. So ist zu betrachten, wenn Troxler sagt: «Hegel hat die Spekulation auf die höchste Stufe ihrer Ausbildung geführt und sie eben dadurch vernichtet. Sein System ist das: bis hierher und nicht weiter! in dieser Richtung des Geistes geworden.» – In dieser Form stellt Troxler die Frage, die von der Ahnung zur deutlichen Idee gebracht, wohl heißen müßte: Wie kommt die Weltanschauung über das bloße Erleben des Gedankens im Hegelschen Sinne hinaus zu einer Teilnahme an dem Lebendigwerden des Gedankens?"

 

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343 Nicht erst jetzt, sondern … Vorlesungen über Philosophie Über Inhalt, Bildungsgang, Zweck und Anwendung derselben aufs Leben, 1835. Bern 1942 6. Vortrag, S. 86

344 Schon früher haben … desgl., S. 87

345 Hegel hat die Spekulation … desgl., S. 79

 

 

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• 2] GA 020 (5. Aufl. 1984), S. 65–69, 120–121, 175 + Anm. S. x

 

"Einer derjenigen Geister, von denen heute kaum gesprochen wird, ist Ignaz Paul Vitalis Troxler. Aus der Reihe seiner zahlreichen Schriften seien hier nur genannt seine 1835 erschienenen «Vorlesungen über Philosophie» [•]. Durch sie spricht sich eine Persönlichkeit aus, die durchaus ein Bewußtsein davon hat, wie der Mensch, der sich bloß seiner Sinne und des mit den Beobachtungen der Sinne rechnenden Verstandes bedient, nur einen Teil der Welt erkennen kann. Auch Troxler fühlt sich wie Immanuel Hermann Fichte mit dem Denken in einer übersinnlichen Welt drinnenstehend. Aber er empfindet auch, wie der Mensch, wenn er sich der Kraft entrückt, die ihn an die Sinne bindet, nicht nur sich vor eine Welt stellen kann, die im Hegelschen Sinne erdacht ist, sondern wie er durch diese Entrückung in seinem inneren Wesen das Aufblühen von rein geistigen Erkenntnismitteln erlebt, durch die er eine geistige Welt geistig schaut, wie die Sinne die Sinnenwelt sinnlich schauen. Von einem «übergeistigen Sinn» spricht Troxler. Und man kann sich auf folgende Art eine Vorstellung von dem bilden, was er damit meint. Der Mensch beobachtet die Dinge der Welt durch seine Sinne. Dadurch erhält er sinnliche Bilder von den Dingen. Er denkt dann über diese Bilder nach. Dadurch erschließen sich ihm Gedanken, die nicht mehr das Sinnlich-Bildhafte in sich tragen. Der Mensch fügt also durch die Kraft seines Geistes zu den Sinnesbildern die übersinnlichen Gedanken hinzu.Erlebt er sich nun in der Wesenheit, die in ihm denkt, so daß er über das bloße Denken zu geistigem Erleben aufsteigt, dann ergreift ihn von diesem Erleben aus eine innere rein geistige Kraft des Verbildlichens. Er schaut dann eine Welt in Bildern, die übersinnlich erlebter Wirklichkeit als Offenbarung dienen kann. Diese Bilder sind nicht von den Sinnen empfangen; aber sie sind lebensvoll wie die Sinnesbilder; sie sind nicht Ergebnisse einer Träumerei, sondern die von der Seele bildhaft festgehaltenen Erlebnisse in der übersinnlichen Welt. Im gewöhnlichen Erkennen liegt zuerst das Sinnesbild vor, und der Gedanke kommt hinzu im Erkenntnisvorgange – der Gedanke, der nicht sinnlich-bildhaft ist. Im geistigen Erkenntnisvorgange liegt das übersinnliche Erlebnis vor; dieses könnte als solches nicht angeschaut werden, wenn es sich nicht durch eine dem Geist naturgemäße Kraft in das Bild ergösse, das sie zur geistig-anschaulichen Versinnlichung bringt. Ein solches Erkennen ist für Troxler das des «über geistigen Sinnes». Und die Bilder dieses übergeistigen Sinnes werden durch den «übersinnlichen Geist» des Menschen so ergriffen, wie in der Sinneserkenntnis die sinnlichen Bilder durch die Vernunft. In dem Zusammenwirken von übersinnlichem Geist mit übergeistigem Sinn entwickelt sich, nach Troxlers Anschauung, das Geisterkennen (vergleiche dazu die sechste der «Vorlesungen über Philosophie» von Troxler). – Von solchen Voraussetzungen ausgehend, erahnt Troxler in dem Menschen, der in der Sinneswelt sich erlebt, einen «höheren Menschen», der diesem zugrunde liegt, und der der übersinnlichen Welt angehört; und er fühlt sich in dieser Meinung im Einklänge mit dem, was Friedrich Schlegel ausgesprochen hat. Und so werden ihm wie schon früher Friedrich Schlegel die höchsten in der Sinneswelt sich offenbarenden Eigenschaften und Betätigungen des Menschen zum Ausdrucke von Fähigkeiten des übersinnlichen Menschen. Indem der Mensch in der Sinneswelt steht, eignet seiner Seele die Glaubenskraft. Doch ist diese eben nur die Offenbarung der übersinnlichen Seele durch den sinnlichen Leib. Im Übersinnlichen liegt der Glaubenskraft eine Fähigkeit der Seele zugrunde, die man – will man sie übersinnlich-bildhaft ausdrücken – ein Gehör des übersinnlichen Menschen nennen muß. Und so ist es mit der Kraft des Hoffens. Ihr liegt ein Sehen des übersinnlichen Menschen zugrunde; der Betätigung in Liebe entspricht im «höheren Menschen» die Fähigkeit, im Geiste zu «tasten», zu berühren, wie der Gefühlssinn in der sinnlichen Welt die Fähigkeit des Tastens ist. Troxler spricht sich darüber (auf Seite 106f. seiner «Vorlesungen über Philosophie», Bern 1835) in folgender Art aus: «Sehr schön und wahr» hat das Verhältnis des Sinnes- zum Geistesmenschen «unser verewigter Freund, Friedrich Schlegel, ins Licht gesetzt. In seinen Vorlesungen über die Philosophie der Sprache und des Wortes sagt er: ‹Will man in jenem Alphabet des Bewußtseins, welches die einzelnen Elemente zu den einzelnen Silben und ganzen Worten hergibt, wieder die ersten Anfänge unserer höheren Erkenntnis finden, nachdem Gott selbst den Schlußstein des höchsten Bewußtseins bildet, so muß das Gefühl des Geistes, als der lebendige Mittelpunkt des gesamten Bewußtseins, und als Vereinigungspunkt mit dem höheren angenommen werden. … Man pflegt diese Grundgefühle des Ewigen sehr häufig als Glauben, Hoffnung und Liebe zu bezeichnen. … Sind jene drei Grundgefühle oder Eigenschaften oder Zustände im Bewußtsein als ebenso viele Erkenntnis- und Wahrnehmungs-, oder wenn man lieber will, wenigstens Ahnungsorgane des Göttlichen zu betrachten, so darf man sie in dieser Hinsicht und in Beziehung auf die einem jeden derselben eigentümliche Auffassungsform wohl mit den äußeren Sinnen und Sinneswerkzeugen vergleichen. Da entspricht denn die Liebe in der ersten erregenden Seelenberührung, in der fortwährenden Anziehung, und endlich vollkommenen Vereinigung auffallend dem äußeren Gefühlssinn; der Glaube ist das innere Gehör des Geistes, welcher das gegebene Wort einer höheren Mitteilung vereint, auffaßt und in sich bewahrt; die Hoffnung aber ist das Auge, dessen Licht die mit tiefem Verlangen ersehnten Gegenstände schon aus der weiten Ferne erblickt.›» Daß nun Troxler über den Sinn, den Schlegel diesen Sätzen gegeben, hinausgeht und durchaus sie in dem Sinne denkt, wie oben angedeutet ist, das zeigen schon die Worte, die er hinzusetzt: «Weit über Verstand und Wille, wie deren Wechselwirkung, weit über Vernunft und Freiheit und ihre Einheit sind diese in einem Bewußtsein von Geist und Herz sich einenden Gemütsideen erhaben, und wie Verstand und Wille, Vernunft und Freiheit und alle unter ihnen liegenden seelischen Fähigkeiten und Vermögen eine erdwärts gewandte Reflexion darstellen, sind diese drei ein himmelwärts gerichtetes Bewußtsein, das von einem wahrhaft göttlichen Lichte erleuchtet wird ...» Ein gleiches zeigt sich dadurch, daß auch Troxler sich über den übersinnlichen Seelenleib ganz in der Art ausspricht, die bei Immanuel Hermann Fichte anzutreffen ist: «Schon früher haben die Philosophen einen feinen, hehren Seelleib unterschieden von dem gröberen Körper, … eine Seele, die ein Bild des Leibes an sich habe, das sie Schema nannten, und das ihnen der innere höhere Mensch war. … In der neuesten Zeit selbst Kant in den Träumen eines Geistersehers träumt ernsthaft im Scherze einen ganzen inwendigen seelischen Menschen, der alle Gliedmaßen des auswendigen an seinem Geisterleib trage; Lavater dichtet und denkt ebenso; und selbst, wenn Jean Paul humoristisch über das Bonetsche Unterziehröckchen und das Platnersche Seelenschnürleibchen scherzt, die im gröberen Körperüberrock und Marterkittel stecken sollen, so hören wir ihn doch auch wieder fragen: ‹Wozu und woher wurden diese außerordentlichen Anlagen und Wünsche in uns gelegt, die bloß wie verschluckte Diamanten unsere erdige Hülle langsam zerschneiden? … In den steinernen Gliedern (des Menschen) wachsen und reifen seine lebendigen nach einer uns unbekannten Lebensweise!› Wir könnten», sagt Troxler weiter, «noch eine Unzahl ähnlicher Denk- und Dichtweisen anführen, welche am Ende nur verschiedene Anschauungen und Vorstellungen sind, in welchen … die wahre, einzige Lehre von der Individualität und Unsterblichkeit des Menschen enthalten» ist.

Auch Troxler spricht davon, daß auf dem von ihm gesuchten Erkenntniswege eine Wissenschaft vom Menschen möglich ist, durch die – um seine eigenen Ausdrücke zu gebrauchen – der «übergeistige Sinn» im Verein mit dem «übersinnlichen Geist» die übersinnliche Wesenheit des Menschen in einer «Anthroposophie» erfassen. Auf S. 101 [•] seiner «Vorlesungen» findet sich der Satz: «Wenn es nun höchst erfreulich ist, daß die neueste Philosophie, welche … in jeder Anthroposophie … sich offenbaren muß, emporwindet, so ist doch nicht zu übersehen, daß diese Idee nicht eine Frucht der Spekulation sein kann und die wahrhafte Individualität des Menschen weder mit dem, was sie als subjektiven Geist oder endliches Ich aufstellt, noch mit dem, was sie als absoluten Geist oder absolute Persönlichkeit diesem gegenüberstellt, verwechselt werden darf.»

Es ist kein Zweifel, daß Troxler mehr in einem dunklen Gefühle als in einer klaren Anschauung den Weg über Hegels Gedankenwelt hinaus gesucht hat. Dennoch kann man in seinem Erkenntnisleben beobachten, wie die Anregungen des deutschen Weltanschauungsidealismus Fichtes, Schellings, Hegels bei einer Persönlichkeit wirken, die nicht die Ansichten dieser Denker-Dreiheit zu den ihrigen machen kann; die aber ihre eigenen Wege dadurch findet, daß sie diese Anregungen empfängt."

 

"Daß ein echtes Verständnis der neueren naturwissenschaftlichen Vorstellungen nicht zur Befestigung, sondern zur wahren Überwindung des Materialismus führt, das konnte Carneri, der die ersten Schritte auf dem Wege dieses Verständnisses machte, noch nicht voll einsehen. Deshalb war er der Meinung, um noch einmal an die Worte Brentanos zu erinnern (vergleiche S. 53 dieser Schrift [•]), daß «für die Hoffnungen eines Platon und Aristoteles, über das Fortleben unseres besseren Teiles nach der Auflösung des Leibes Sicherheit zu gewinnen» von der neueren Wissenschaft keine Erfüllung zu erwarten sei. Wer aber sich in Carneris Gedanken so vertieft, daß er nicht nur den Inhalt derselben hinnimmt, sondern auf den Erkenntnisweg blickt, auf dem dieser Denker nur die ersten Schritte machen konnte, der wird finden, daß durch ihn, nach einer anderen Richtung hin, für die Fortbildung der Weltanschauung des deutschen Idealismus etwas Ähnliches geschehen ist wie durch Troxler, Immanuel Hermann Fichte und andere nach der in dieser Schrift gekennzeichneten Richtung hin. Diese Geister suchten mit den Kräften des Hegelschen Denkens nicht bloß in den versinnlichten Geist, sondern auch in dasjenige Geistgebiet einzudringen, das sich in der Sinneswelt nicht offenbart. Carneri strebt dahin, mit einer geistgemäßen Lebensanschauung an die naturwissenschaftliche Vorstellungsart sich hinzugeben. Die weitere Verfolgung des von diesen Denkern empfundenen Weges kann zeigen, daß die Erkenntniskräfte, an die sie sich gewandt haben, die «Hoffnungen eines Platon und Aristoteles über das Fortleben unseres besseren Teiles nach der Auflösung des Leibes» nicht vernichten, sondern ihnen eine feste Wissensgrundlage geben werden. Es ist sicherlich einerseits berechtigt, wenn der schon genannte F. v. Feldegg («Deutsche Worte» vom November 1894) [•] anknüpfend an den Konflikt, in den Carneri gegenüber Idealismus und Materialismus hineingestellt war, sagt: «Aber die Zeit ist nicht mehr ferne, in welcher dieser Konflikt nicht etwa bloß im einzelnen Individuum, sondern im ganzen Kulturbewußtsein zum Austrag kommen wird. Aber die ‹Bedenken› Carneris sind vielleicht ein vereinzelter Vorläufer ganz anderer und gewaltigerer ‹Bedenken›, welche dann, gleich einem Sturme heranbrausend, hinwegfegen werden, was an unserem ‹wissenschaftlichen› Glaubensbekenntnisse bis dahin noch nicht der Selbstzersetzung verfallen sein wird.» Anderseits aber kann anerkannt werden, daß Carneri durch die Art, wie er den Darwinismus für die Ethik verarbeitete, zugleich einer der ersten Überwinder der darwinistischen Denkart geworden ist."

 

"Denker wie Troxler, Immanuel Hermann Fichte nehmen in sich die Kräfte des deutschen Weltanschauungsidealismus auf, ohne sich zu beschränken in den Ansichten, die er in Johann Gottlieb Fichte, Schelling und Hegel hervorgebracht hat. Sie deuten bereits auf einen «inneren Menschen» im «äußeren Menschen», also auf den geistig-seelischen Menschen, den der Gesichtspunkt des schauenden Bewußtseins als eine Wirklichkeit anerkennt, die erlebt werden kann."

 

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65 Ignaz Paul Vitalis Troxler, Beromünster 17. Aug. 1780 bis 6. März 1866 Aarau; Arzt und praktischer Pädagoge in Basel und Bern. «Blicke in das Wesen des Menschen», Aarau 1812, Neuausg. von H. E. Lauer, Stuttgart 1921 [•]. «Vorlesungen über Philosophie, über Inhalt, Bildungsgang, Zweck und Anwendung derselben aufs Leben, als Encyclopädie und Methodologie der philosophischen Wissenschaft», Bern 1835; Neuausg. von Fritz Eymann, Bern 1942 [•]. «Naturlehre des menschlichen Erkennens.» Nach der Druckausgabe von 1828 herausgegeben und eingeleitet von Willi Aeppli, Bern 1944 [•]. «Fragmente» von I. P. V. Troxler. Erstveröffentlichung aus dem Nachlaß. Mit einer Einleitung versehen von Willi Aeppli, St. Gallen 1936 [•]. Vgl. auch Willi Aeppli: «Paul Vital Troxler. Aufsätze über den Philosophen und Pädagogen», Basel: Zbinden 1929 [•].

68 Troxler-Zitate: Siehe «Vorlesungen über Philosophie», a. a. O., S. 108 u. 110.

 

 

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• 3] GA 034 (2. Aufl. 1987), S. 579

 

[Der Kongreß in Paris im Juni 1906. Bericht 1906 (Nr. 31) 572ff. •]

 

"Endlich wies der Redner auf den intimen Esoterismus des Novalis hin, auf die eigentlich psychischen Studien von Ennemoser, Eckardthausen, Justinus Kerner, insbesondere aber auf einen gar nicht mehr gekannten Theosophen, der seine Theosophie nur «Biosophie» nannte, nämlich Troxler, der zum Beispiel über den «Astralkörper» die schönsten Auseinandersetzungen gab. Den Beschluß machte der Redner mit einer Auseinandersetzung darüber, warum innerhalb dieser «deutschen Theosophie» die Idee der Reinkarnation fehlen mußte und welches Verhältnis diese Idee zu jener Weltauffassung hat. Fräulein Kamensky aus Petersburg gab dann ein Resume dieses Vortrags in französischer Sprache. In der zweiten Sektion, die sich mit Philosophie zu beschäftigen hatte, sprach zuerst Herbert Whyte über «Açvaghosha's Awakening of Faith in the Mahayana». Er führte aus, daß das Wesentliche im Mahayana gleich ist dem in den Upanishads und in der Bhagavad Gita, und er zeigte die Ähnlichkeiten zwischen Açvaghoshas Lehren und den Ausführungen über die Erweiterung des Selbstbewußtseins, wie sie Annie Besant in den « Studien über das Bewußtsein» [•] gibt. Wahre Erleuchtung kann nicht erlangt werden durch irgend etwas Äußerliches, sondern allein durch inneres Leben des Geistes. Der Geist ist eine Quelle, aus dem das höhere Leben fließen muß. Und es müssen ihn folgende Kräfte unterstützen: Mitgefühl, Geduld, Sammlung, Tatkraft, innere Harmonie und Ruhe."

 

 

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• 4] GA 035 (…), S. 64–65, 216–217 + Anm. S. x

 

"Hier aber soll nur noch auf eine wenig bekannte Persönlichkeit hingewiesen werden, welche in dem Brennpunkt ihres Geistes die Strahlen theosophischer Weltbetrachtung vereinigte und ein Ideengebäude schuf, das in vieler Beziehung völlig mit den heute wieder erneuerten Gedanken der Theosophie übereinstimmt. Es ist I. P. V. Troxler, der von 1780 bis 1866 lebte und von dessen Werken namentlich das 1812 erschienene «Blicke in das Wesen des Menschen» [•] in Betracht kommt. Troxler wendet sich gegen die übliche Einteilung der menschlichen Natur in Seele und Leib, die er irreführend findet, weil sie die Natur nicht erschöpft. Er unterscheidet zunächst vier Glieder der menschlichen Wesenheit: Geist, höhere Seele, Leib (der ihm die niedere Seele ist) und Körper. Man braucht diese Einteilung nur im rechten Lichte zu sehen, um zu erkennen, wie nahe sie der heute in theosophischen Büchern üblichen ist. Der Körper in seinem Sinne fällt vollkommen zusammen mit dem, was man jetzt physischen Leib nennt. Die niedere Seele, oder das, was er, im Gegensatze zum Körper, den Leib nennt, ist nichts anderes als der sogenannte Astralleib. Das ist nicht etwa in seine Gedankenwelt hineingelegt, sondern er sagt selbst, daß dasjenige, was subjektiv die niedere Seele ist, man objektiv dadurch charakterisieren solle, daß man zurückgreife auf die von den alten Forschern gebrauchte Bezeichnung Astralleib. «Es gibt demnach» – so führt er aus – «notwendig etwas im Menschen, was die Weisen der Vorzeit als ein xxx xxx (Soma astroeides) und xxx xxx (Uranion soma), oder als ein xxx xxx (Schema pneumatikon) geahndet und verkündet, und was als Substrat der mittleren Lebenssphäre das Band des unsterblichen und des sterblichen Lebens ist.» Bei den Dichtern und Philosophen, welche Troxlers Zeitgenossen sind, lebt die Theosophie als Unterströmung; er selbst aber wird diese Theosophie bis zu einem hohen Grade in der ihn umgebenden geistigen Welt gewahr und gestaltet sie in origineller Art aus. So kommt er durch sich selbst auf Vieles, was sich in den uralten Weisheitslehren findet. Es ist um so reizvoller, sich in seine Gedankengänge zu vertiefen, da er nicht direkt auf alten Überlieferungen baut, sondern aus dem Denken und der Gesinnung seiner Zeit heraus etwas wie eineursprüngliche Theosophie schafft."

 

"Es sollen hier aber nur zwei Beispiele gebracht werden, welche zeigen, daß «Anthroposophie» etwas ist, woran seit lange gedacht wird. Troxler, ein viel zu wenig gewürdigter Denker aus der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, gab 1835 «Vorlesungen über Philosophie» [•] heraus. Darin findet sich der Satz: «Wenn es nun höchst erfreulich ist, daß die neueste Philosophie, die …in jeder Anthroposophie, also in Poesie, wie in Historie, sich offenbaren muß, emporwindet, so ist doch nicht zu übersehen, daß diese Idee nicht eine Frucht der Spekulation sein kann, und die wahrhafte Persönlichkeit oder Individualität des Menschen weder mit dem, was sie als subjektiven Geist oder endliches Ich aufstellt, noch mit dem, was sie als absoluten Geist oder absolute Persönlichkeit diesem gegenüberstellt, verwechselt werden darf.» Und was er über diese seine Idee einer Anthroposophie vorbringt, ist bei Troxler angeschlossen an Sätze, die deutlich zeigen, wie er der Annahme von Wesensgliedern der Menschennatur über den physischen Leib hinaus nahe steht. Sagt er doch: «Schon früher haben die Philosophen einen feinen, hehren Seelleib unterschieden von dem gröberen Körper, oder in diesem eine Art von Hülle des Geistes angenommen, eine Seele, die ein Bild des Leibes an sich habe, das sie Schema nannten, und das ihnen der innere höhere Mensch war.» Der Zusammenhang, in dem diese Worte bei Troxler stehen, und dessen ganze Weltanschauung bezeugen, daß man bei ihm Bestrebungen sehen darf, die sich durch eine Geisteswissenschaft im Sinne dieser Schriften erfüllen lassen. Nur weil Troxler nicht in der Lage ist, zu erkennen, daß Anthroposophie nur möglich ist durch Entwicklung von Seelenfähigkeiten in der Richtung wie diese Schrift dies andeutet, fällt er mit seinen eigenen Anschauungen in Gesichtspunkte zurück, die gegenüber dem von J. G. Fichte, Schelling, Hegel errungenen nicht ein Fortschritt, sondern ein Rückschritt sind. (Vgl. mein Buch: «Die Rätsel der Philosophie».) [•] – Bei I. H. Fichte, dem Sohne des großen Philosophen (in dessen «Anthropologie», 2. Auflage von 1860, S. 608) [•] findet man die Sätze: «Aber schon die Anthropologie endet in dem von den mannigfaltigsten Seiten her begründeten Ergebnisse, daß der Mensch nach der wahren Eigenschaft seinesWesens, wie in der eigentlichen Quelle seines Bewußtseins einer übersinnlichen Welt angehöre. Das Sinnenbewußtsein dagegen, und die auf seinem Augpunkte entstehende phänomenale Welt, mit dem gesamten, auch menschlichen Sinnenleben, haben keine andere Bedeutung, als nur die Stätte zu sein, in welcher jenes übersinnliche Leben des Geistes sich vollzieht, indem er durch frei bewußte eigene Tat den jenseitigen Geistesgehalt der Ideen in die Sinnenwelt einführt… Diese gründliche Erfassung des Menschenwesens erhebt nunmehr die «Anthropologie» in ihrem Endresultate zur «Anthroposophie». Im Anschluß an die Erläuterung dieser Sätze, sagt I. H. Fichte (S. 609) [•]: «So vermag endlich die Anthroposophie an sich selbst nur in Theosophie ihren letzten Abschluß und Halt zu finden.» Daß auch I. H. Fichte mit seiner eigenen Weltanschauung nicht zu einer Anthroposophie kam, sondern hinter J. G. Fichte, Schelling und Hegel zurückging: dafür bestehen dieselben Gründe wie bei Troxler."

 

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65 «Es gibt demnach notwendig etwas im Menschen»: I. P. V. Troxler, «Blicke in das Wesen des Menschen», Aarau 1812, S. 124 [•].

216 « Wenn es nun höchst erfreulich ist»: Ignaz P. V. Troxler, «Vorlesungen über Philosophie», Bern 1835, S. 101 [•].

«Schon früher haben die Philosophen»: Ebenda, S. 100.

 

 

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• 5] GA 065 (…), S. 422–430, 535–536, 672–673 + Anm. S. x

 

"Man muß sagen, über all dem, was da entstand in Fichte, Schelling, Hegel, auch in den anderen, ist etwas enthalten, was in keinem einzigen voll zum Ausdruck kommt: Fichte sucht die geistige Welt zu erkennen, indem er den Willen erlebt, wie er hereinströmt in die Seele; Schelling wendet sich mehr zum Gemüte, Hegel zu dem Gedankeninhalt der Welt, andere zu anderem. Über allem schwebt gewissermaßen wie die Einheit, die sich auf drei oder so und so viel verschiedene Arten äußert, das, was man wirklich nennen kann: das Streben des deutschen Volksgeistes selber, der sich durch keine einzelne Persönlichkeit voll aussprechen kann, der sich wie in drei Schattierungen zum Beispiel in bezug auf ein Weltenbild in Fichte, Schelling und Hegel ausspricht. Wer nicht als dogmatischer Anhänger oder Gegner zu diesen Persönlichkeiten steht – über solche Kinderei könnte man heute hinaus sein, daß man Anhänger oder Gegner eines Geistes sein will, wenn man ihn in seiner Größe einsehen will –, sondern ein Herz und einen Sinn und ein offenes Empfinden hat für ihr Streben, der wird überall, in allen ihren Äußerungen etwas durchhören wie die deutsche Volksseele selber, so daß gleichsam dasjenige, was sie sagen, immer mächtiger ist als dasjenige, was unmittelbar zum Ausdruck kommt. Das ist so das Merkwürdige und Geheimnisvolle dieser Geister. Und daher kommt es nun, daß spätere, weit geringere Persönlichkeiten, als diese großen, genialischen, sogar zu bedeutenderen, zu eindringlicheren geistigen Wahrheiten kommen konnten, als diese führenden und tonangebenden Geister selber. Das ist das Bedeutsame: Durch diese Geister spricht sich eben etwas aus, was mehr ist als diese Geister, was der zentrale deutsche Volksgeist selber ist, der fortwirkt, so daß dann Geringere kommen konnten, weit weniger Begabte, und in diesen weit weniger Begabten derselbe Geist zum Ausdrucke kommt, aber sogar auf eine geisteswissenschaftlichere Art, als bei Fichte, Schelling, Hegel selber. Sie waren diejenigen, die zuerst, ich möchte sagen, den Ton angegeben hatten und zum ersten Mal etwas der Welt mitteilten, es herausholten aus dem Quell des geistigen Lebens. Das ist selbst dem Genialischen schwierig. Nachdem aber die Anregung, die große, die gewaltige Anregung gegeben war, kamen kleinere Geister. Und man muß sagen: Diese kleineren Geister, sie haben zum Teil dasjenige, was darstellt den Weg hinein in die geistigen Welten, noch tiefer, noch bedeutungsvoller getroffen als diejenigen, von denen sie abhängig waren, die ihre Lehrmeister waren.

So sehen wir bei Immanuel Hermann Fichte, dem Sohn des großen Johann Gottlieb Fichte, wie er auf seine Art nach einer Geisteswissenschaft strebt, und zwar so, daß er in dem sinnlichen Menschen, der vor uns steht, den die äußeren Sinne und die äußere Wissenschaft ergreifen, einen höheren Menschen sucht, den er einen ätherischen Menschen nennt, und in dem die Bildekräfte liegen für diesen physischen Menschen, der aufgebaut wird, bevor der physische Leib seine Vererbungssubstanz von den Eltern erhält, der sich erhält als die Summe der Bildekräfte, wenn der physische Leib durch die Pforte des Todes geht. Von einem ätherischen Menschen, von einem innerlich erkrafteten und von Kraft erfüllten ätherischen Menschen, der ebenso den ewigen Kräften des Universums angehört, wie der Mensch hier als physischer Mensch den physischen Kräften der Vererbungsströmung angehört, davon spricht Immanuel Hermann Fichte, wohl aus dem Umgang mit seinem Vater heraus, der ihm ein guter Erzieher war.

Und man möchte sagen: Wie zu höheren Höhen getragen finden wir das Fichtesche, das Schellingsche Streben bei einem Manne, der wenig bekannt geworden ist, der geradezu zu den vergessenen Geistern des deutschen Geisteslebens gehört, aber in dem gerade tief wurzelt, was Wesen des deutschen Volksgeistes ist, – in Troxler. Troxler – wer kennt Troxler? Und dennoch, wie steht dieser Troxler vor uns? Schon unter dem Einflüsse namentlich von Schelling schreibt er 1811 seine tiefsinnigen «Blicke in das Wesen des Menschen» [•] und hält dann 1834 seine Vorlesungen über Philosophie [•]. Diese Vorlesungen sind gewiß nicht pikant geschrieben, um das ausländische Wort für etwas Ausländisches zu gebrauchen, aber sie sind so geschrieben, daß sie uns zeigen: Da spricht ein Mensch, der nicht bloß mit dem Verstande, mit dem man nur Endliches erfassen kann, sich der Welt nähern will, sondern es spricht einer, der die ganze Persönlichkeit des Menschen mit all ihren Kräften hingeben will an die Welt, damit diese Persönlichkeit, wenn sie in die Weltenerscheinungen untertaucht, eine Erkenntnis mitbringt, die befruchtet ist von dem Miterleben, von dem intimsten Miterleben mit dem Sein der Welt. Und Troxler weiß etwas davon, daß unter denjenigen Kräften der Seele, die zunächst der äußeren Natur und ihrer Sinnlichkeit zugewendet sind, höhere geistige Kräfte leben. Und auf eine merkwürdige Art sucht nun Troxler den Geist über sich selbst zu erhöhen. Er spricht von einem übergeistigen Sinn, der im Menschen erweckt werden könne, von einem übergeistigen Sinn, der da schlummert im Menschen. – Was meint Troxler damit? Er meint damit: Der Geist des Menschen denkt sonst nur in abstrakten Begriffen und Ideen, die trocken und leer sind, die bloße Bilder der Außenwelt sind; in derselben Kraft, die in diesen abstrakten Begriffen und Ideen lebt, lebt aber auch etwas, das der Mensch erwecken kann als eine geistige Wesenheit. Dann schaut er in übersinnlichen Bildern so, wie man die äußere Wirklichkeit mit Augen schauen kann. Im gewöhnlichen Erkennen liegt zuerst das Sinnesbild vor, und der Gedanke kommt hinzu im Erkenntnisvorgang, der Gedanke, der nicht sinnlich-bildhaft ist. Im geistigen Erkenntnisvorgang liegt das übersinnliche Erlebnis vor; dieses konnte als solches nicht angeschaut werden, wenn es sich nicht durch eine dem Geist naturgemäße Kraft in das Bild ergösse, das sie zur geistig-anschaulichen Versinnlichung bringt. Ein solches Erkennen ist für Troxler das des übergeistigen Sinnes. Und was diesem übergeistigen Sinn bei Troxler nebenher geht, nennt er den übersinnlichen Geist, den Geist, der sich erhebt über das bloße Anschauen des Sinnlichen, und der als Geist miterlebt, was da draußen in der Welt webt und west. Wie brauchte ich für diejenigen verehrten Zuhörer, die einen solchen Vortrag wie den, den ich am Freitag vorletzter Woche [•] gehalten habe, angehört haben, noch zu erwähnen, daß in diesem übergeistigen Sinn und übersinnlichen Geist des Troxler die Keime – wenn auch erst die Keime, aber so doch die Keime – zu dem liegen, was ich als die zwei Wege in [die] Geisteswissenschaft hinein zu charakterisieren hatte.

Aber noch in einer anderen Weise spricht Troxler wunderbar es aus. Er sagt: Wenn der Mensch zunächst so, wie er mit seiner Seele, mit seinem ewigen Menschen hineingestellt ist in seine physische Leiblichkeit, – wenn der Mensch da dem Moralischen, dem Religiösen, aber auch der äußeren unmittelbaren Wirklichkeit gegenübersteht, dann entwickelt er drei Kräfte: Glaube, Hoffnung, Liebe. Diese drei Kräfte, die er fortentwickelt, entwickelt er im Leben innerhalb des physisch-sinnlichen Leibes. Es gehört einfach zu dem Menschen, so wie er dasteht in der physisch-sinnlichen Welt, daß er in Glaube, in Liebe, in Hoffnung lebt. Aber Troxler sagt: Dasjenige, was als Glaube, als berechtigter Glaube hier innerhalb des physischen Leibes der Seele des Menschen eigen ist, das ist gewissermaßen das Äußere für eine tiefere Kraft, die in der Seele drinnen ist, die durch diesen Glauben als Göttliches in die physische Welt hereinscheint. Aber hinter dieser Glaubenskraft, zu der, um sie zu entfalten, durchaus der physische Leib gehört, liegt ein übersinnliches Hören, das heißt der Glaube ist gewissermaßen dasjenige, was der Mensch macht aus dem übersinnlichen Hören. Indem er sich für das übersinnliche Hören des sinnlichen Werkzeuges bedient, glaubt er. Kommt er aber los von seinem sinnlichen Leib, erlebt er sich im Seelischen, so geht ihm aus derselben Kraft, die im Sinnesleben zum Glauben wird, das übersinnliche Hören auf, durch das er sich hineinvertiefen kann in eine Welt der geistigen Tonerscheinungen, durch die geistige Wesenheiten und geistige Tatsachen zu ihm sprechen.

Und die Liebe, die der Mensch hier im physischen Leibe entfaltet, welche die Blüte des Menschenlebens auf Erden ist, sie ist der äußere Ausdruck für eine Kraft, die dahinter liegt: für geistiges Fühlen oder Tasten, sagt Troxler. Und wenn der Mensch dieselbe Kraft, die hier als Blüte des moralischen Erdendaseins, des religiösen Erdendaseins lebt, wenn er diese Liebe noch vertieft, wenn er zu den Untergründen dieser Liebe geht, dann entdeckt er in sich, daß der geistig-seelische Mensch geradeso Fühlorgane hat, durch die er die geistigen Wesenheiten und geistigen Tatsachen berühren kann, wie er mit seinen sinnlichen Fühl- oder Tastorganen die physisch-sinnlichen Tatsachen berühren kann. Hinter der Liebe liegt das geistige Fühlen oder Tasten, wie hinter dem Glauben das geistige Hören liegt.

Und hinter der Hoffnung, die der Mensch in dieser oder in jener Weise hat, liegt das geistige Sehen, das Hineinsehen durch den geistigen Sinn des Sehens in die geistige Welt,

So sieht Troxler hinter dem, was der Mensch selbst als Glaubens-, als Liebe-, als Hoffnungskraft darlebt, nur den äußeren Ausdruck für höhere Kräfte: für ein geistiges Hören, für ein geistiges Fühlen, für ein geistiges Schauen oder Sehen. Und dann sagt er: Wenn der Mensch sich der Welt so hingeben kann, daß er mit seinem geistigen Hören, geistigen Fühlen, geistigen Schauen sich hingibt, dann leben in ihm nicht nur Gedanken auf, die so äußerlich abstrakt vielfach die äußere Welt wiedergeben, sondern, wie Troxler sich ausdrückt, «sensible Gedanken», Gedanken, die selber gefühlt werden können, das heißt, die lebendige Wesen sind, und «intelligente Gefühle», das heißt nicht bloß dunkle Gefühle, in denen man das Weltendasein fühlt, sondern etwas, wodurch die Gefühle selber intelligent werden. Wir wissen aus dem eben erwähnten Vortrag, daß es eigentlich der Wille ist, nicht die Gefühle; aber bei Troxler liegt durchaus der Keim zu alle dem, was man heute in der Geisteswissenschaft darstellen kann. Wenn der Mensch also überhaupt zu diesem Schauen, zu diesem Hören, Tasten der geistigen Welt erwacht, erwacht in diesem Fühlen Gedankenleben, durch das sich der Mensch mit dem lebendigen Gedanken verbinden kann, der in der geistigen Welt webt und lebt, so wie der Gedanke wesenhaft, nicht bloß abstrakt, in uns lebt. So tief fühlt Troxler sein Streben nach Geisteswissenschaft. Und ich möchte eine Stelle aus Troxler vorlesen, aus der Sie gerade werden ersehen können, wie tiefgehend dieses Streben bei Troxler war. Er sagt einmal:

«Schon früher haben die Philosophen einen feinen, hehren Seelleib unterschieden von dem gröberen Körper, oder in diesem eine Art von Hülle des Gesichts angenommen, eine Seele, die ein Bild des Leibes an sich habe, das sie Schema nannten, und das ihnen der innere höhere Mensch war … In der neuesten Zeit selbst Kant in den Träumen eines Geistersehers träumt ernsthaft im Scherze einen ganzen inwendigen, seelischen Menschen, der alle Gliedmaßen des auswendigen an seinem Geistesleib trage.» [•]

Dann macht Troxler noch auf andere aufmerksam, die mehr oder weniger geahnt haben, aus der Tiefe des deutschen Geistesstrebens heraus geahnt haben diese andere Seite des Weltenwesens. Troxler sagt weiter:

«Lavater dichtet und denkt ebenso, und selbst, wenn Jean Paul humoristisch über das Bonnetsche Unterziehröckchen und das Platnersche Seelenschnürleibchen scherzt, die im gröberen Körperüberrock und Marterkittel stecken sollen, so hören wir ihn doch auch wieder fragen: Wozu und woher wurden diese außerordentlichen Anlagen und Wünsche in uns gelegt, die bloß wie verschluckte Diamanten unsere erdige Hülle langsam verschneiden? Warum wurde ich auf den schmutzigen Erdenkloß ein Geschöpf mit unnützen Lichtflügeln geklebt, wenn es in die Geburtsscholle zurückfaulen sollte, ohne sich je mit ätherischen Flügeln loszuwinden?»

Auf solche Strömungen im deutschen Geistesleben macht Troxler aufmerksam. Und dann geht ihm der Gedanke auf, daß nunmehr eine besondere Wissenschaft ersprießen könnte, eine Wissenschaft, die Wissenschaft ist, aber die es zum Beispiel mit der Poesie gemeinschaftlich hat, daß sie entsteht aus der menschlichen Seele, indem nicht eine einzelne Seelenkraft, sondern die ganze menschliche Seele sich hingibt, um die Welt mitzuerleben.

Wenn man so von außen den Menschen anschaut, meint Troxler, so lernt man Anthropologie kennen. Anthropologie ist dasjenige, was entsteht, wenn man mit den Sinnen, mit dem Verstande untersucht, was der Mensch darbietet, was sich am Menschen offenbart. Damit findet man aber nicht das volle Wesen des Menschen. Was Troxler in dem charakterisierten Sinne nennt geistiges Hören, geistiges Tasten, geistiges Schauen, was er nennt übersinnlichen Geist, übergeistigen Sinn, das gehört dazu, um etwas Höheres am Menschen zu schauen. Eine Wissenschaft steht vor seiner Seele, welche entsteht nicht aus den Sinnen, nicht aus dem bloßen Verstande heraus, sondern aus diesem höheren Erkenntnisvermögen des Menschen heraus. Und über diese Wissenschaft spricht sich Troxler sehr charakteristisch in der folgenden Weise aus. Er sagt – 1835 sind die folgenden Worte Troxlers geschrieben –:

«Wenn es nun höchst erfreulich ist, daß die neueste Philosophie, welche wir langst als diejenige anerkannt haben, die alle lebendige Religion begründet, und in jeder Anthroposophie, also in Poesie, wie in Historie sich offenbaren muß, emporwindet, so ist doch nicht zu übersehen, daß diese Idee nicht eine wahrhafte Frucht der Spekulation sein kann, und die wahrhaftige Persönlichkeit oder Individualität des Menschen weder mit dem, was sie als subjektiven Geist oder endliches Ich aufstellt, noch mit dem, was sie als absoluter Geist oder absolute Persönlichkeit diesem gegenüberstellt, verwechselt werden darf.»

Da ersteht vor Troxlers Sinn in den dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts der Gedanke der Anthroposophie, jener Wissenschaft, die im wahren Sinne des Wortes eine auf menschliche Kraft begründete Geisteswissenschaft sein will. Geisteswissenschaft kann, wenn sie die Keime richtig zu verstehen vermag, die aus der fortlaufenden Strömung des deutschen Geisteslebens ihr kommen, eben sagen: Bei den westlichen Völkern zum Beispiel kann ja selbst irgend etwas, was mit Geisteswissenschaft zu vergleichen ist, was mit Anthroposophie zu vergleichen ist, entstehen; aber es wird dort immer so entstehen, daß es neben dem fortlaufenden Strom der Weltanschauung, neben dem, was dort Wissenschaft ist, einherläuft, daher sehr, sehr leicht zu Sektiererei oder zu Dilettantismus neigt. Im deutschen Geistesleben – und in dieser Beziehung steht das deutsche Geistesleben einzig da – ergibt sich Geisteswissenschaft als etwas, was gerade auf naturgemäße Weise hervorgeht aus den tiefsten Impulsen, aus den tiefsten Kräften dieses deutschen Geisteslebens. Selbst wenn dieses deutsche Geistesleben wissenschaftlich wird in bezug auf die geistige Welt und ein Streben nach geistiger Erkenntnis entwickelt, so liegen in diesem Streben schon die Keime zu demjenigen, was Geisteswissenschaft werden muß. Daher sehen wir auch niemals wiederum verglimmen dasjenige, was in dieser Weise durch das deutsche Geistesleben strömt."

 

"Und nun entstand in ihm ein Drang, eine Sehnsucht nach einer geistigen Vertiefung dessen, was bloß in der Sinnenwelt sich darbietet. Und dieser Drang, diese Sehnsucht lebten sich bei ihm nun in dieser letzten Periode seines Lebens vermöge seiner Anlagen nur lyrisch aus. Und das hängt mit dem Unschöpferischen in Nietzsche zusammen. Er brauchte dasjenige, was auf ihn wirkte; das konnte er erleben. Schöpferische Geister konnten für ihn Objekt werden, wie Richard Wagner. Was die Weltanschauung seiner Zeit schuf, konnte für ihn Objekt werden. Was in der zweiten Periode seines Lebens, der Periode vom Menschlichen-Allzumenschlichen und so weiter, aufzuckte und aufleuchtete wie Zukunfts-Seelenschöpfung, das trat jetzt in den Gesichtskreis der dritten Nietzscheschen Periode ein. Der Mensch wurde für ihn so, daß sich Nietzsche sagte: Dieser Mensch muß in den Mittelpunkt der Weltanschauung gerückt werden – aber etwa in dem Sinne, wie bei Troxler Anthroposophie auftritt im Sinne des Vortrages, den ich vor einigen Wochen hier halten konnte [•] –: im Menschen wollte er einen höheren Menschen suchen. Er hätte ihn finden können, wäre Nietzsche das gewesen, was man nennen könnte eine episch-dramatische Natur. Ist jemand eine episch-dramatische Natur, kann er aus sich herausgehen zur Anschauung des Geistes, dann entwickelt er die geistige Welt, dann stellt er sie hin. Das war Nietzsche nicht, Nietzsche war eine lyrische Natur. Damit dasjenige leben konnte, was in ihm Sehnsucht war, was in ihm Drang und Trieb war, brauchte Nietzsche etwas, was ihm in der Außenwelt entgegentrat. Es kam nicht aus seiner Seele eine geistige Welt herauf. (…)"

 

"Man kann sagen: Sehnsucht, eine solche Geisteswissenschaft zu erlangen, war immer vorhanden. Wir nennen sie heute Anthroposophie, das heißt, ich versuche diesen Namen zu rechtfertigen für sie. Anthroposophie deshalb, weil Anthropologie den Menschen so betrachtet, wie man ihn betrachtet, wenn man sich nur äußerer Organe am Menschen bedient. Anthroposophie entsteht, wenn man den inneren, erweckten Menschen sich richten läßt auf dasjenige, was Mensch ist. Ich habe in früheren Vorträgen [•] einen Ausspruch von Troxler aus dem Jahre 1835 angeführt, aus dem ersehen werden kann, wie eine solche Anthroposophie ersehnt worden ist. Denn in der Zeit, in der mehr oder weniger auch unbewußt in den besseren Seelen überall die Goethesche Weltanschauung gewirkt hat, da war schon Sehnsucht und Hoffnung für eine solche Anthroposophie vorhanden. Und zum Belege dafür lassen Sie mich heute noch einen Ausspruch anführen, den Immanuel Hermann Fichte –ich habe auch ihn in einem der letzten Vorträge erwähnt – 1860 getan hat; er soll Ihnen beweisen, daß dasjenige, was heute hier als Geisteswissenschaft gesucht wird, durchaus etwas Ersehntes und Erhofftes in der Geistesbewegung des neunzehnten Jahrhunderts ist, wenn es auch aus dem angeführten Grunde etwas abgedämpft war. Immanuel Hermann Fichte, der Sohn des großen Philosophen, sagt in seiner «Anthropologie» [•] am Schlüsse, 1860: «Aber schon die Anthropologie endet in dem von den mannigfaltigsten Seiten her begründeten Ergebnisse, daß der Mensch nach der wahren Eigenschaft seines Wesens, wie in der eigentlichen Quelle seines Bewußtseins, einer übersinnlichen Welt angehöre. Das Sinnenbewußtsein dagegen und die auf seinem Augpunkte entstehende phänomenale Welt mit dem gesamten, auch menschlichen Sinnenleben, haben keine andere Bedeutung, als nur die Stätte zu sein, in welcher jenes übersinnliche Leben des Geistes sich vollzieht, indem er durch frei bewußte eigene Tat den jenseitigen Geistesgehalt der Ideen in die Sinnenwelt einführt… Diese gründliche Erfassung des Menschenwesens erhebt nunmehr die ‹Anthropologie› in ihrem Endresultate zur ‹Anthroposophie›.»"

 

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424 Ignaz Paul Vital Troxler, 1780-–1866. Siehe Rudolf Steiner, «Die Rätsel der Philosophie», Kap. Der Kampf um den Geist, GA 18 [•]; «Vom Menschenrätsel», GA 20 [•]. Werke Troxlers: «Vorlesungen über Philosophie, über Inhalt, Bildungsgang, Zweck und Anwendung desselben aufs Leben, als Enzyklopädie und Methodologie der philosophischen Wissenschaften», Bern 1835, neu hg. von Prof. F. Eymann, Bern 1942 [•]; «Naturlehre des menschlichen Erkennens oder Metaphysik», Bern 1828, neu hg. von W. Aeppli, Bern 1944 ; «Blicke in das Wesen des Menschen», Aarau 1812, neu hg. von H. E. Lauer, Stuttgart 1921 [•]; «Fragmente», hg. von W. Aeppli, Bern 1930 [•].

426 Vortrag wie den, den ich Freitag vorletzter Woche gehalten habe: Siehe den 9. Vortrag in diesem Band [•].

428 Troxler sagt einmal: Die folgenden Zitate stammen aus den «Vorlesungen über Philosophie ...», 6. Vortrag [•].

 

 

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• 6] GA 066 (…), S. 167–169 +Anm. S. x

 

"Dies ist eine außerordentlich wichtige Tatsache, die sich der Geisteswissenschaft ergibt. Denn das, was keine philosophischen Spekulationen finden, woran die philosophische Spekulation der letzten Jahrhunderte so unzählige Male gescheitert ist, das kann nur auf dem Wege der Geisteswissenschaft gefunden werden. Sinnesempfindung kann so erkannt werden als eine feine Wechselwirkung zwischen äußerem und innerem Äther; als Belebung des im Sinnesorgan ertöteten Äthers vom inneren Ätherleibe aus. So daß dasjenige, was die Sinne uns aus der Umgebung abtöten, innerlich durch den Ätherleib wieder belebt wird, und wir dadurch zu dem kommen, was eben Wahrnehmung der Außenwelt ist.

Dies ist außerordentlich wichtig, denn es zeigt, wie der Mensch, schon wenn er der Sinnesempfindung sich hingibt, nicht nur lebt im physischen Organismus, sondern im ätherisch Übersinnlichen, wie das ganze Sinnesleben ein Leben und Weben im Ätherisch-Unsichtbaren ist. Dies ist es, das eben in der charakterisierten Zeit die tieferen Forscher immer geahnt haben, das aber zur Gewißheit erhoben werden wird durch die Geisteswissenschaft. Ich will unter denen, die diese bedeutsame Wahrheit erkannten, noch anführen den fast ganz vergessenen I. P. V. Troxler. Ich habe ihn in früheren Vorträgen [•], in früheren Jahren, hier schon erwähnt. Er sagte in seinen «Vorlesungen über Philosophie» [•]:

«Schon früher haben die Philosophen einen feinen, hehren Seelenleib unterschieden von dem gröberen Körper … eine Seele, die ein Bild des Leibes an sich habe, das sie Schema nannten, und das ihnen der innere höhere Mensch war … In der neuesten Zeit selbst Kant in den Träumen eines Geistersehers träumt ernsthaft im Scherze einen ganzen inwendigen seelischen Menschen, der alle Gliedmaßen des auswendigen an seinem Geistesleib trage; Lavater dichtet und denkt ebenso. ...»

Diese Forscher waren sich aber auch klar, daß mit dem Augenblick, wo man aufsteigt nur aus dem gewöhnlichen materiellen Anschauen zu dem Anschauen dieses übersinnlichen Organismus in uns, man überzugehen hat von der gewöhnlichen Anthropologie zu einer solchen Art von Erkenntnis, die durch Erkraftung des Inneren zu ihren Ergebnissen kommt. Daher ist es interessant, wie zum Beispiel sowohl I. H. Fichte wie auch Troxler sich klar sind darüber, daß Anthropologie aufsteigen müsse zu etwas anderem, wenn sie den ganzen Menschen erfassen will. I. H. Fichte sagt in seiner «Anthropologie» [•]:

«Das Sinnenbewußtsein … mit dem gesamten, auch menschlichen Sinnenleben, hat keine andere Bedeutung, als nur die Stätte zu sein, in welcher jenes übersinnliche Leben des Geistes sich vollzieht, indem er durch frei bewußte eigene Tat den jenseitigen Geistgehalt der Ideen in die Sinnenwelt einführt… Diese gründliche Erfassung des Menschenwesens erhebt nunmehr die ‹Anthropologie› in ihrem Endresultate zur ‹Anthroposophie›.»

Wir sehen aus dieser Strömung des deutschen Geisteslebens, die, ich möchte sagen, den Idealismus von seiner Abstraktheit zur Wirklichkeit hintreibt, die Ahnung einer Anthroposophie. Und Troxler sagt, daß man annehmen müsse einen übergeistigen Sinn im Verein mit einem übersinnlichen Geiste, und daß man dadurch den Menschen so erfassen kann, daß man es nicht mehr zu tun hat mit einer gewöhnlichen Anthropologie, sondern mit etwas Höherem:

«Wenn es nun höchst erfreulich ist, daß die neueste Philosophie, welche … in jeder Anthroposophie … sich offenbaren muß, emporwindet, so ist doch nicht zu übersehen, daß diese Idee nicht eine Frucht der Spekulation sein kann, und die wahrhafte … Individualität des Menschen weder mit dem, was sie als subjektiven Geist oder endliches Ich aufstellt, noch mit dem, was sie als absoluten Geist oder absolute Persönlichkeit diesem gegenüberstellt, verwechselt werden darf.» [•]

Mit Anthroposophie ist nicht irgend etwas vorgebracht, was gewissermaßen aus der Willkür heraus auftritt, sondern etwas, wozu mit Notwendigkeit jenes Geistesleben führt, das sich einmal darauf einläßt, Begriffe und Vorstellungen nicht nur als Begriffe und Vorstellungen zu erleben, sondern sie so weit – und ich möchte den Ausdruck noch einmal gebrauchen – zu verdichten, daß sie in die Wirklichkeit hineinführen, daß sie wirklichkeitsgesättigt werden."

 

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168 Ignaz Paul Vital Troxler, 1780–1866, Arzt und praktischer Pädagoge in Basel und Bern. «Vorlesungen über Philosophie, über Inhalt, Bildungsgang, Zweck und Anwendung derselben aufs Leben, als Encyclopädie und Methodologie der philosophischen Wissenschaft», Bern 1835, Neuausgabe hg. v. Fritz Eymann, Bern 1942 [•].

«Schon früher haben die Philosophen …»: a.a.O. (1942), S. 87 (6. Vorlesung).

 

 

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• 7] GA 067 (…), S. 304–305

 

"Das gewöhnliche Bewußtsein ahnt gar nicht, daß dieselbe Kraft, welche den Menschen vom kleinen Kinde an als Wachstumskraft, als gestaltbildende Kraft begleitet, in einer Steigerung, in einer Verfeinerung dieselbe ist, an die appelliert wird, indem der Mensch Erinnerungen bildet. Aber es ist doch etwas Zusammengesetztes. Wenn man die Sache kennenlernt, so stellt sie sich als etwas Zusammengesetztes dar. Man lernt nämlich das, was da als Wachstumskraft und als Erinnerungskraft gewissermaßen zusammengebunden ist, auch wieder voneinander unterscheiden; es ist gewissermaßen eine Zweiheit, die als Einheit zusammenwirkt. Indem man auf die Sache eingeht, entdeckt man: Was man als Erinnerung heraufholt, ist eigentlich ein unterbewußtes Wissen, eine tiefere Stufe des Bewußtseins, ein Leben und Weben eines Bewußtseins, in welchem nicht unser gewöhnliches Ich lebt. Aber dieses Bewußtsein durchdringt das andere in uns, was die Wachstumskraft ist. Diese zwei – Wachstums- und Gestaltungskraft und Erinnerungskraft – lernt man als etwas erkennen, was sich gegenübersteht, sich nur näher gegenübersteht, als unser bewußtes Wissen und die äußere körperliche Welt. Nur steht unser bewußtes Wissen der äußeren körperlichen Welt ferner; wir können nicht die Brücke schlagen von dem einen zum andern, wir kommen nicht hinüber für das gewöhnliche Bewußtsein. Was wir da heraufnehmen wollen, was wir uns durch Meditationen bewußt machen, das trägt gewissermaßen seinen eigenen Gegenstand in sich, ist aber doch etwas, was unserem Wissen verwandt ist. Wir lernen eine Zweiheit durchschauen. Diese Zweiheit tritt aber doch, je weiter man in seinem Seelenleben kommt, sehr deutlich, sehr klar vor das schauende Bewußtsein. Man schaut auf diese Weise das, was als Wachstumskraft webt und lebt. Man schaut es – um einen guten alten Troxlerischen Ausspruch zu gebrauchen – als die wahre menschliche Leiblichkeit gegenüber der physischen Körperlichkeit. In unserem gewöhnlichen Bewußtsein nehmen wir die physische Körperlichkeit wahr. Dieses Unterbewußtsein, zu dem wir da herangekommen sind, nimmt diese Leiblichkeit in uns wahr."

 

 

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• 8] GA 130 (…), S. 221–222 + Anm. S. x

 

"Die Art und Weise, wie die größten Weistümer da an den Menschen herantreten, ist das Gegenteil von der Art und Weise, wie auf die Klugheit gewirkt wird. Sie ist so, daß gerechnet wird damit, daß in jener unmittelbaren, ursprünglichen, elementaren Art aus dem vierten makrokosmischen Prinzip in dem Christus Jesus wie fertig hervorsprudeln diese Wahrheiten, daß sie unmittelbar auf die Menschen übergehen. Ja, es ist sogar dafür gesorgt, daß die Gescheitheit der Menschen, die Klugheit alles Luziferischen in der Menschheitsentwickelung, viel herumdeuteln wird an diesen Christus-Worten und sich nach und nach erst durchringen wird zu ihrer Einfachheit und Grandiosität, zu ihrem elementaren Charakter. Und so wie zu den Christus-Worten, so auch zu den Christus-Tatsachen.

Wenn wir eine solche Tatsache, wie es, sagen wir die Auferstehung als Tatsache ist, mit den Mitteln darstellen, die uns die Geisteswissenschaft an die Hand gibt, welch eigentümlicher Tatsache stehen wir da gegenüber? Ein sehr bedeutender deutscher Theosoph hat schon in den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts gesagt, man könne es sehen, wie immer mehr und mehr die Menschenvernunft mit dem luziferischen Prinzip durchsetzt wird. Troxler ist es gewesen. Er hat gesagt: ganz luziferisch sei die menschliche Vernunft in alle dem, was sie begreifen will. – Es ist im allgemeinen schwer, gerade auf die tieferen theosophischen Weistümer hinzuweisen. Diejenigen von Ihnen, die in Prag bei meinem Zyklus [•] dagewesen sind, werden sich erinnern, daß ich damals auf Troxler hingewiesen habe, um zu zeigen, wie in ihm schon vorhanden war, was jetzt gelehrt werden kann über den menschlichen Ätherkörper oder Lebensleib. Er hat den Ausspruch getan, daß die menschliche Vernunft durchsetzt ist von den luziferischen Kräften.

Wenn wir heute, abgesehen von den luziferischen Kräften, aus den guten theosophischen Kräften heraus die Auferstehung begreifen wollen, so müssen wir darauf hinweisen, daß mit der Johannestaufe im Jordan etwas Bedeutsames geschehen ist, daß da die drei Leiber des Lukas-Jesusknaben durchsetzt wurden von der makrokosmischen Christus-Wesenheit, die dann drei Jahre auf der Erde gelebt hat, dann durch das Mysterium von Golgatha gegangen sind mit dieser Christus-Wesenheit. Diese Entwickelung des Christus Jesus war natürlich anders während der drei Jahre, als die eines andern Menschen. Wie war sie, so daß wir mit den geisteswissenschaftlichen Prinzipien, wenn wir ins Fundamentale gehen, begreifen können, wie die Auferstehung eigentlich war?"

 

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221 Ignaz Paul Vital Troxler, 1780–1866, Arzt und praktischer Pädagoge in Basel und Bern. Die angeführte Stelle konnte bei Troxler bisher nicht festgestellt werden [•].

221 in Prag bei meinem Zyklus: Gemeint ist der Vortragszyklus «Okkulte Physiologie» (März 1911), GA 128, doch ist in den davon vorliegenden unvollständigen Nachschriften der Hinweis auf Troxler nicht enthalten [•].

 

 

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• 9] GA 168 (…), S. 67–69 + Anm. S. x

 

"Wir betrachten – und das ist zunächst gut – den Menschen geisteswissenschaftlich so, wie er als Ausdruck seiner Gesamtwesenheit hier in der physischen Welt vor uns steht. Wir müssen zunächst von dem ausgehen, was uns der Mensch in der physischen Welt darbietet, und daher habe ich auch immer wieder und wiederum darauf aufmerksam gemacht, wie wir gewissermaßen etwas wie eine leitende Übersicht bekommen über den Gesamtmenschen, wenn wir ihn so betrachten, daß wir zugrunde legen zunächst den physischen Leib, den wir von außen durch Sinnesbetrachtung, durch die wissenschaftliche Zergliederung des sinnlich Betrachteten hier in der physischen Welt kennenlernen. Wir legen dann denjenigen Leib oder diejenige Organisationsform zugrunde, welche wir als den ätherischen Leib bezeichnen, der ja schon einen übersinnlichen Charakter hat, der also mit den gewöhnlichen Sinnesorganen nicht betrachtet werden kann – auch mit dem Verstand nicht, der an das Gehirn gebunden ist – und der daher der gewöhnlichen Wissenschaft bereits unzugänglich ist. Dieser ätherische Leib ist aber immerhin ein Gebilde, von dem man sagen kann, daß auch Geister wie Immanuel Hermann Fichte, der Sohn des großen Johann Gottlieb Fichte, dann Troxler und andere davon gewußt haben. Dieser ätherische Leib ist etwas im Menschen, welches zwar nur in imaginativer Erkenntnis aufgefaßt werden kann, weil es übersinnlich ist, was aber doch für die übersinnliche Erkenntnis eben äußerlich angeschaut werden kann, so wie für die sinnliche Erkenntnis der sinnliche physische Leib äußerlich angeschaut werden kann.

Wir steigen dann in der Betrachtung auf zu dem astralischen Leib. Der astralische Leib ist nun nicht etwas, was so äußerlich sinnlich angeschaut werden kann wie der physische Leib durch die äußeren Sinne, wie der ätherische Leib durch den inneren Sinn, sondern der astralische Leib ist so etwas, was nur innerlich erlebt werden kann, worinnen man selber sein muß, um es zu erleben, und ebenso das vierte Glied, das wir zunächst hier in der physischen Welt zu erfassen haben, das Ich. Aus diesen vier Gliedern der menschlichen Natur bauen wir uns den Gesamtmenschen auf. Wir wissen aber auch aus den bisherigen Betrachtungen, daß dasjenige, was wir eigentlich den physischen Leib des Menschen nennen, etwas sehr Kompliziertes ist, daß sich dieser physische Leib des Menschen aufbaut in einem langen Werdegang durch Saturn-, Sonnen-, Mondenzeit hindurch, daß auch schon mitgewirkt hat das Erdenwerden von dem Urbeginne des Erdendaseins bis in unsere Zeit. Ein komplizierter Entwickelungsgang hat unseren physischen Leib aufgebaut. Von dem, was da eigentlich in dem physischen Leibe lebt, bietet sich der Betrachtung, die dem Menschen in der physischen Welt zunächst zugänglich ist, auch für die gewöhnliche Wissenschaft eigentlich nur die Außenseite dar. Man könnte sagen, das gewöhnliche physische Anschauen und die physische Wissenschaft, wie sie hier in der Welt leben, die kennen von dem physischen Leibe nur so viel, als ein Mensch von einem Hause kennt, der außen um das Haus herumgeht und niemals in das Innere gekommen ist, niemals kennengelernt hat, was im Inneren des Hauses ist und welche Menschen im Hause leben. Nur wird selbstverständlich derjenige, der im materialistischen Sinne auf dem Boden der äußeren Wissenschaft steht, sagen: Oh, wir kennen sehr gut dieses Innere des physischen Leibes! Wir kennen, weil wir oftmals das Gehirn geschaut haben innerhalb der Gehirnwände, weil wir den Magen, das Herz geschaut haben bei der Leichensezierung, wir kennen ja dieses Innere!

Aber dieses Innere, das so von außen gesehen werden kann, das Räumlich-Innere, das ist nicht dasjenige, was hier gemeint ist, wenn von dem Inneren gesprochen wird. Dieses Räumlich-Innere ist auch nur ein Äußeres; dieses Räumlich-Innere ist sogar beim physischen Menschenleib viel äußerlicher als das wirkliche Räumlich-Äußerliche. Das ist allerdings sonderbar, wenn ich das sage. Aber Sie wissen ja aus den bisherigen Beschreibungen unserer Geisteswissenschaft, daß unsere Sinnesorgane schon während der Saturnzeit aufgebaut worden sind, und die tragen wir an der Außenseite unseres Leibes, an der räumlichen Außenseite. Die sind aus viel geistigeren Kräften aufgebaut als zum Beispiel unser Magen oder dasjenige, was innerlich im räumlichen Sinne ist. Dasjenige, was innerlich ist, ist aus den ungeistigsten Kräften aufgebaut. Und so sonderbar es klingt, so muß doch einmal darauf aufmerksam gemacht werden, daß der Mensch sich eigentlich verkehrt ausspricht über sich. Es ist das ja natürlich, weil wir hier auf dem physischen Plan leben – aber verkehrt spricht er sich aus. Er müßte eigentlich dasjenige, was die Haut im Gesichte ist, das Innere nennen und seinen Magen das Äußere. Da würde man der Wirklichkeit viel näherkommen! Man würde der Wirklichkeit näherkommen, wenn man sagen würde, wir essen von innen nach außen, wir schicken die Speisen von innen nach außen, indem wir sie in den Magen schicken, als jetzt, wo wir sagen: von außen nach innen; denn je weiter unsere Organe an der Oberfläche liegen, von desto geistigeren Kräften rühren sie her, und von um so ungeistigeren Kräften rühren sie her, je mehr sie in unserem räumlichen Inneren liegen.

Sie können das sogar aus den bisherigen Schilderungen der Geisteswissenschaft leicht einsehen."

 

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67 Ignaz Paul Vitalis Troxler, 1780–1866, Arzt und Philosoph, lehrte in Aarau, Luzern, Basel, Bern. Vgl. das Kap. «Eine vergessene Strömung im deutschen Geistesleben» in Rudolf Steiners Schrift «Vom Menschenrätsel» (1916), GA 20 [•], sowie die Vorträge vom 29. und 30. Oktober 1916 in «Innere Entwicklungsimpulse der Menschheit. Goethe und die Krisis des neunzehnten Jahrhunderts», GA 171 [•].

 

 

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•10] GA 169 (…), S. 48 + Anm. S. x

 

"Mit diesem meinem Buch sollte noch einmal versucht werden, Geister wie Fichte, Schelling, Hegel, Troxler, Planck, Preuß, Immanuel Hermann Fichte und einige andere lebendig zu machen in unserer Gegenwart. Das, was sie enthalten, ist eine ganz andere Seelennahrung als dasjenige, was die heutigen Menschen so vielfach suchen, die ganz ehrlich, aber mißleitet suchen. Wie tat einem doch das Herz weh, wenn man immer wieder und wiederum sah, wie ehrlich suchende Menschen griffen zu dem oder jenem, um für ihre Seele Nahrung zu haben, um einen Weg zu haben in die geistige Welt hinein. Hätte man zu solchen Schriften wie Schellings «Clara» oder «Bruno» gegriffen, unendliche Seelennahrung – allerdings mit einiger Anstrengung, aber die tut gut! – hätte man gewinnen können."

 

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48 Geister wie: Johann Gottlieb Fichte (1762–1814), Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775–1854),Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831), Ignaz Paul Vitalis Troxler (1780–1866), Karl Christian Planck(1819–1880), Wilhelm Heinrich Preuß (1843-–1903), Immanuel Hermann Fichte (1796–1879).

Schellings «Clara» oder «Bruno»: «Bruno oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge», 1802. «Clara. Über den Zusammenhang der Natur mit der Geisterwelt», Fragment aus dem Nachlaß Schellings [•].

 

 

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•11] GA 171 (…), S. 332–336, 337–340, 354–355 + Anm. S. x

 

"Nun, es ist gut in einem solchen Falle, wirklich zu studieren, in derselben Aura nachzusehen, wie sich die Dinge entwickelt haben: In Aarau, 1828, bei Heinrich Remigius Sauerländer, erschien die «Naturlehre des menschlichen Erkennens» [•] von Dr. Troxler! Wir sehen also, diese «Naturlehre des menschlichen Erkennens» fand dazumal innerhalb derselben Aura eine Stätte, 1828. Sie kennen den Troxler schon, wenigstens die meisten von Ihnen, aus meinem letzten Buche «Vom Menschenrätsel» [•]. Dieser Troxler ist in der Schweiz geboren, war zuerst Professor in Luzern, dann in Basel und in Bern, er ist 1868 gestorben. Er ist noch nicht auf dem Standpunkt der gegenwärtigen Geisteswissenschaft, das heißt ihm fehlt die Möglichkeit, die Welten konkret vor die Menschen hinzustellen, welche Geisteswissenschaft schildern kann. Aber er ist, ich mochte sagen, auf dem Wege. Und es ist interessant zu sehen, wie auf demselben Terrain einmal anders gesprochen worden ist. Dafür nur einige Troxlersche Stellen, die ich Ihnen heute vor die Seele führe, damit Sie sehen, wie anders gesprochen worden ist auf demselben Gebiete. Ich möchte vorher sagen, daß allerdings Troxler noch keine Geisteswissenschaft hat, daß er aber Begriffe aufstellt zunächst wie Hypothesen, welche vielleicht nicht genau, aber doch im wesentlichen wiederzufinden sind, wenn man sie vom Standpunkte der Geisteswissenschaft aus betrachtet. Da reden wir ja von dem physischen Leib, von dem ätherischen Leib, von dem astralischen Leib und von dem Ich. Diese vier Begriffe decken sich ungefähr, wenn auch Troxler keine Anschauung hat, mit dem, was er nennt den Körper im Menschen, den Leib, die Seele und den Geist. In vier Teile gliedert er den Menschen: in Körper, Leib, Seele und Geist, und er tadelt es an den Philosophen, die vor ihm gewirkt haben, scharf, daß sie es nicht dazu brachten, einzusehen, daß es ein Unsinn ist, zu sagen, der Mensch besteht aus Geist und Körper, sondern daß man den Menschen nur versteht, wenn man ihn als dieses viergliedrige System ansieht: Leib und Seele als das Innerliche, Körper als das Äußerliche, Untere, Geist als das Obere. Und wie gesagt, wenn auch Troxler nicht bis zur Geisteswissenschaft vorgerückt ist, so brachte er es doch dahin – durch eine Gemütserkenntnis brachte er es dahin –, den Menschen im hohen Grade zu erkennen. Und von diesem Gesichtspunkte aus sagt der Mann zum Beispiel das Folgende. Mit Bezug auf frühere Philosophen, die eben alles durcheinandergeworfen haben im Menschen, sagt er:

«Überhaupt tadeln wir nur an diesem, sowie an allen vorerwähnten Philosophen und Theologen, daß sie ihre Anthroposophie vielmehr aus Reflexion und Spekulation, oder Autorität und Dogmatik, als aus ihrem Urbewußtsein, oder dem eigenen in Religion vollendeten Geiste geschöpft haben. Nur die ursprüngliche und unmittelbare Erkenntnis des Göttlichen in seiner Natur führt den Menschen zur Selbsterkenntnis seiner wesenhaften Persönlichkeit und lebendigen Spontaneität, wofür bis jetzt nur einzelne abgeleitete und mittelbare Werke und Formen von untergeordneten und einseitigen Arten und Graden des Bewußtseins angesehen worden sind.» Er sagt weiter: «Die Theosophen sind zwar unter sich so wenig einig als die Philosophen. So z. B. stellt sich Daumer in folgender, wie mir scheint, sehr richtigen und unserer Ansicht sich annähernden Bemerkung, sowohl Böhme, als Schelling und Baader, entgegen. Er sagt Seite 39 [•]: Es ist zu bemerken, daß bei Böhme, wie bei Schelling, jene Verwechselung des entäußerten Gottes (des Ungrundes) mit dem Voraussetzungslosen in Gott, und der Irrtum herrscht, als habe sich Gott durch den Grund selbst gefunden und erforscht.»

Also die Verwechselung eben wiederum dieser Dinge, um die es sich hier handelt.

«Hier ist wohl auch die Art zu erwähnen, wie die Mystik meistens den Menschen in Gott, so wie die Philosophie Gott im Menschen verlierend, dies Urverhältnis der menschlichen Natur, das anthroposophisch zu ergründen der Mensch sich begnügen soll, in theosophischen Spekulationen von sich auf Gott selbst übertragen hat» und so weiter.

Das war das intensivste Bestreben dieses Troxler gerade auf dem Gebiete, auf das ich hingedeutet habe: nach einer Anthroposophie hinzuarbeiten. Man möchte sagen, wie eine Art Vorbote erscheint ja Troxler gerade auf diesem Gebiete. Nun überlegen Sie sich nur einmal, wie die Sache anders wäre, wenn Troxler, der gewirkt hat in Luzern, Bern und in Basel, gehört worden wäre dazumal, als er Anthroposophie wenn auch noch in seiner Art – einführen wollte. Wenn das Boden gewonnen hätte, wie es anders wäre, wenn jetzt der Anthroposophie, die eben vorgeschritten ist bis zum konkreten Geist-Erkennen, hier ein Bau aufgeführt wird. Wenn Sie sich solches überlegen, gerade am konkreten Fall studieren, an diesem wunderbaren Fall, daß hier unmittelbare Anthroposophie, die in den dreißiger Jahren dem Namen nach gelehrt worden ist, wieder auftreten will, und wie jetzt in demselben Aarau, wo dieses Buch [•] erschienen ist, in welchem die Sätze über Anthroposophie stehen, so wie sie damals sein konnte, ein Vortrag gehalten wird über «Neuere Mystik und freies Christentum» [•], in dem gesagt wird: Diese Anthroposophen, die wollen sich zum Prinzip machen, sich das Denken abzugewöhnen und alle Christusse zu werden – wenn Sie sich das überlegen, dann werden Sie schon eine Vorstellung bekommen von der materialistischen Krisis, die im Laufe des 19. Jahrhunderts eingetreten ist. Und es ist gut, sich von solchen Dingen eine Vorstellung zu machen, zu wissen, daß man keine Berechtigung hat heute, wenn man auf dem Boden des äußeren Geisteslebens steht, anders zu sprechen, als indem man sich bewußt ist, Wagnersche Gesinnung auszusprechen und nicht Faust-Gesinnung, wenn man sagt:

 

Es ist ein groß Ergetzen, Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen,

Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,

Und wie wir's dann zuletzt so herrlich weit gebracht.

 

Denn denken Sie sich einmal, der Mann, der in Aarau gesprochen hat, zu Troxler hinblickend, der sein Buch in Aarau hat erscheinen lassen, würde nun sagen – er würde es ja gewiß von seinem Gesichtspunkte aus sagen, der heutige Redner über neuere Mystik und freies Christentum:

 

Es ist ein groß Ergetzen,

Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen,

Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,

Und wie wir's dann zuletzt so herrlich weit gebracht!

 

Der Troxler, der hat es noch nicht so weit gebracht, einzusehen, daß diese Anthroposophen sich das Denken abgewöhnen und alle Christusse werden wollen, daß sie das Geheimnis enthüllen wollen und nicht das Geheimnis lassen, und dadurch sich auflehnen gegen alles ehrliche, menschliche Bestreben. Troxler würde nicht sagen: Ich habe endlich eingesehen, diese Anthroposophen sind zu verdammen, denn sie wollen alle Christusse werden, wollen sich des Denkens entäußern und des Sinnens und wollen die Geheimnisse enthüllen; aber es ist der Mensch doch nicht dazu da, irgend etwas zu erforschen, sondern er ist da, wie ja der Herr Theologe glaubt, zum Denken, welches sich die Anthroposophen – abgewöhnen wollen!

Sie sehen, gegenseitige Verständigung wird schon nicht möglich sein; aber ein Beispiel ist es doch dafür, ob eine Krisis, eine materialistische Krisis, durch das 19. Jahrhundert da ist oder nicht, und inwieweit es gilt, daß man es «so herrlich weit» gebracht hat! Man hat es, ich glaube, von Troxler zu Joß auf dem Gebiete der Aarauer Aura herrlich weit gebracht! Aber nicht vorwärts, sondern rückwärts! Davon dann morgen weiter."

 

[SECHZEHNTER VORTRAG Dornach, 30. Oktober 1916 •]

"Wir haben an einzelnen Beispielen, die einfach das Studium der physischen Welt ergibt, zu erhärten versucht gewisse Wahrheiten, die sich über das innere Leben des fünften nachatlantischen Zeitraums und über die Entwickelung des Zeitraumes aus den Quellen heraus, welche die Geisteswissenschaft eröffnet, ergeben. Wir haben insbesondere gestern darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, zu beachten, daß auch im äußeren Leben wohl zu bemerken ist, wie eine gewisse Krisis im Laufe des 19. Jahrhunderts eintritt. Ich habe ja öfter darauf hingewiesen, wie gerade die Mitte des 19. Jahrhunderts die Krisis des Materialismus darstellt, und wir haben gestern an einem besonderen Beispiele aus naheliegender Gegend zeigen können, wie gewisse Hinweise – nur Hinweise, aber doch immerhin Hinweise – auf Einsichten, die nur durch die Anthroposophie kommen können, vorhanden waren, wie aber diese Einsichten wie begraben sind, ich möchte sagen, geschichtlich begraben sind, so wie eine geologische Erdschichte begraben ist und eine andre über ihr liegt. Und so würde man vielfach im geistigen Leben der neueren Zeit nachweisen können, wie der Drang, der Trieb nach einer tieferen Einsicht, so wie sie durch Anthroposophie eröffnet wird, vorhanden war, insbesondere vorhanden war aus gewissen Voraussetzungen früherer Zeiten heraus im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und wie dann, herbeigeführt durch die großen Fortschritte der Naturwissenschaft, eine andere Schichte, eine ganz entgegengesetzte Schichte menschlichen Vorstellens, menschlichen Denkens sich darübergelagert hat, so daß heute dasjenige, was schon da war, außerordentlich schwer bloßzulegen ist. Und diejenigen Menschen, die heute ihre Begriffe, ihre Vorstellungen nur aus der obersten Schichte, welche die untere zudeckt, schöpfen, die tappen merkwürdig in Finsternis über dasjenige, was schon da war. Dabei ergeben sich ganz groteske Dinge.

Gerade wenn man Troxler ansieht, der auch von Geburt ein Schweizer ist, der lange Zeit in der Schweiz gelehrt hat, ihn im ganzen Zusammenhange des europäischen Geisteslebens betrachtet, wie ich ihn hineinzustellen versuchte in meinem letzten Buche «Vom Menschenrätsel» [•], so sieht man an ihm, wie zwar ihm noch nicht gegeben waren die Dinge, die jetzt durch Geisteswissenschaft oder Anthroposophie erst herauskommen können, wie er aber, ich möchte sagen, in gewissen Ideen, konkreten Ideen darauf hinarbeitete. In gradliniger Entwickelung, wenn es diese in der menschlichen Entwickelung gäbe, aber die ist eben dem Menschengeschlechte nicht gegeben, hätte sich eine wirkliche geistige Vertiefung ergeben können, wie sie heute herausgeholt werden muß aus den Quellen, welche die Geisteswissenschaft hat. Dann würde Geisteswissenschaft heute am allerwenigsten hierzulande wie eine fremde Pflanze erscheinen, sondern sie würde denjenigen Menschen, die nur das Geistesleben des 19. Jahrhunderts in einem seiner bedeutendsten Vertreter kennen würden, wie eine Fortsetzung des Geisteslebens erscheinen. Und wenn in der Aarauer Aura ein solcher im schweizerischen Geistesleben drinnenstehender Mensch im Mai 1916 reden würde, so würde er etwa sagen: Mit dieser Anthroposophie kommt vor allen Dingen uns Schweizern gar nichts Fremdes ins Land, sondern wir begrüßen in dieser Anthroposophie einen alten Bekannten; war es uns doch sogar gegeben, eine schone, herrliche Definition der Anthroposophie von unserem Landsmann Troxler zu hören. – Das wäre im Zusammenhange mit dem ganzen geschichtlichen Leben gerade hierzulande dasjenige, was wahr wäre, wenn man es sagte. Aber statt dessen wurde in dieser Aarauer Aura in der Schrift [•], von der ich Ihnen schon gestern gesprochen habe, allerdings ein anderes gesagt. Da wird zunächst diese Geisteswissenschaft, um sie sozusagen so recht als eine quantité négligeable hinstellen zu können, mit anderen Dingen zusammengeworfen. Es wird gesagt: «Der Überblick darf nur das Nötige zur Charakteristik heranziehen» – der Überblick, der nämlich gegeben werden soll in dieser Rede [•].

«Unter diesen Bewegungen, die samt und sonders Einwanderer in unser Land sind, wären als die wohlbekanntesten zu nennen die Christian Science, volkstümlich genannt die Gesundbeter, die Mazdaznan, die Theosophen und endlich die Anthroposophen mit ihrem gewaltigen Tempelbau in Dornach.»

Wir sehen also, während es so schön der Wirklichkeit entsprechen würde, daß man gerade in Anthroposophie hier einen alten Bekannten begrüßen würde, wird diese Anthroposophie als ein Eindringling erklärt. Das, sehen Sie, ist nur so ein symptomatischer Ausdruck, der aber nicht vertausendfältigt, sondern vermillionenfältigt werden könnte in unserer Zeit, so ein symptomatischer Ausdruck dafür, wie unsere Zeit die Anlage hat dazu, die Unwahrheit zu sagen. Das ist gerade dasjenige, was man studieren sollte in den Impulsen, die unserer Zeitkultur zugrunde liegen: wie die Anlage zur Unwahrheit in unserer Zeit ist. Selbstverständlich kommt man ja sehr bald darauf, einzusehen, warum der Mann in diesem Falle die Unwahrheit sagt. Er kennt selbstverständlich die Wahrheit nicht und hat keine Ahnung von dieser Wahrheit, denn er wird vermutlich von Troxler nicht viel gelesen haben. Aber das ist gerade das Charakteristiken unserer Zeit, daß die Allerunberufensten sich hinstellen und Lehrer, Aufklärer des Volkes werden, und daß dies notwendigerweise verbunden sein muß mit dem Verbreiten der Unwahrheit. Der Mangel an Gedanken, der ist dasjenige, was solchen Dingen zugrunde liegt.

Nun handelt es sich darum, diese Dinge in einem tieferen Zusammenhange zu sehen. Erstens zu sehen, daß diese Dinge schon herauskommen aus Impulsen, wie wir sie im Laufe dieser Woche besprochen haben, und daß sie durchschaut werden müssen von unseren Freunden, damit unsere Freunde mit der Geisteswissenschaft sich in richtiger Art in unser heutiges Leben hineinstellen können. Denn es ist ja nicht zu leugnen, daß manchem es recht schwer wird, nach der Lage seines Lebens sich heute zu behaupten als Geisteswissenschafter, als Bekenner der Geisteswissenschaft gegenüber dem, was in der äußeren Welt spielt, und was naturgemäß, wie man immer mehr und mehr sehen kann, naturgemäß in dieser Geisteswissenschaft nichts finden kann, was er versteht. Zunächst muß man hineinsehen in einen größeren Zusammenhang. Wir haben charakterisiert vor einiger Zeit, wie so ganz unzutreffend gegenüber der Wirklichkeit dasjenige ist, was Theoretiker, naturwissenschaftliche Theoretiker heute zu sagen haben über die ihnen ja vorliegenden großen Fortschritte in der Tatsachenwelt. Dasjenige, was an Tatsachen von der Naturwissenschaft an die Oberfläche des Daseins gebracht worden ist, ist ja wirklich nur zu bewundern, ist ja wirklich ein großes Ergebnis. Was aber gesagt worden ist über den Kampf ums Dasein, über die Selektion, über all die Probleme, welche mit dem Geburts- und Verwandtschaftsproblem zusammenhängen, das alles ist so unzutreffend wie möglich, was heute von Naturwissenschaftern schon anerkannt wird. Das habe ich ja sogar ausgeführt in dem öffentlichen Vortrag in Basel [•]."

 

"Wenn Sie daher unsere ganze Bewegung studieren, wie sie sich jetzt seit zwei mal sieben Jahren entwickelt hat, so werden Sie sehen, daß immer versucht wird, den rechten Weg zwischen öffentlicher Mitteilung und zwischen dem Betrieb der geistigen Wissenschaft zu halten, und sogar ein großer Wert gelegt wird darauf, daß wirklich vor die Menschen hingetreten wird und dasjenige, was einem die Menschen heute gestatten zu sagen, wirklich auch gesagt wird. Und ferner wird ein besonderer Wert darauf gelegt, daß unsere Freunde verstehen, wie nicht aus der Willkür heraus, sondern aus der Notwendigkeit der Zeit heraus sich heute die Forderung ergibt, mit einem gewissen okkulten Wissen vor die Menschheit hinzutreten. Und da ist es schon notwendig, anzuknüpfen auch an solche bedeutenden Geister wie es Troxler war, der da in einer schönen Weise ausgesprochen hat die Sehnsucht nach einer solchen geistigen Erkenntnis, wie sie in der Anthroposophie gelegen ist. Aber daß diese Anthroposophie sich erheben muß aus der oberen geologischen Schichte, die sich darübergelagert hat, das fühlten viele, viele Menschen.

Gewiß, man könnte leicht glauben, es wäre pessimistisch geschildert, wenn immer wieder und wiederum gerade von diesem Orte aus darauf hingewiesen wird, wie das geistige Leben unserer Zeit in eine Art von Sackgasse gekommen ist und dieses Kommen in eine Sackgasse zeigt: es muß Rettung und Hilfe durch die Geisteswissenschaft kommen. Aber wer das für übertrieben, für radikal oder zu pessimistisch hält, der studiert nicht die Sehnsuchten, die in den letzten Zeiten bei den besten Menschen des 19. Jahrhunderts und Beginn des 20. Jahrhunderts aufgetreten sind. Wenn Sie irgendeine Schrift von Troxler in die Hand nehmen, so werden Sie sehen: bei ihm leben solche Sehnsuchten ganz besonders; aber er konnte wenigstens noch, wenn auch nicht in der Gestalt der heutigen Geisteswissenschaft, auf eine Anthroposophie hinweisen. Die spätere Zeit konnte es nicht mehr."

 

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332 Ignaz Paul Vital Troxler, 1780–1866, Arzt und Philosoph, lehrte in Aarau, Luzern, Basel und Bern, schrieb u.a. «Naturlehre des menschlichen Erkennens oder Metaphysik», Aarau 1820 [•]. Über Troxler siehe auch R. Steiner, «Vom Menschenrätsel» (1916), GA Bibl.-Nr. 20 [•].

340 Öffentlicher Vortrag: 6. Oktober 1916, «Die Menschenrätsel in der Philosophie und in der Geisteswissenschaft (Anthroposophie)». (Ungedruckt; vorgesehen für GA Bibl.-Nr. 71) [•].

 

 

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•12] GA 174 (…), S. 279 + Anm. S. x

 

"Wir haben ja öfters von einem der Geister gesprochen, die so recht ein Beweis sein können, wie einfach in der künstlerischen Literatur, in der schöngeistigen Literatur das spirituelle Leben waltet und webt: Novalis.Wir hätten ebensogut, wenn wir für prosaischere Stimmungen hätten sorgen wollen, Friedrich Schlegelanführen können, der über die Weisheit der Inder so geschrieben hat, wie eben jemand schreibt, der nicht nur die Weisheit der Inder wiedergibt, sondern der sie aus dem westlichen Geiste heraus wiedergebiert. Wir hätten auf vieles verweisen können, was mit der Flut, von der ich gesprochen habe, nichts zu tun hat und was dann, ich möchte sagen, historisch im Abrisse von mir charakterisiert worden ist in meinem Buche «Vom Menschenrätsel» [•]. Bei Leuten wie Steffens, wie Schubert, wie Troxler findet man ja alles vielfach präziser, viel mehr auf moderner Höhe stehend vor als in der Flut von Literatur, die da plötzlich in den letzten Jahrzehnten des 19. und im Beginne des 20. Jahrhunderts hereingebrochen ist. Man muß sagen, gegenüber der Tiefe, die in Goethe, Schlegel, Schelling liegt, sind wahrhaftig die Dinge, die angestaunt wurden als hohe Weisheit, trivial, richtig trivial. Denn schließlich gilt es ja doch, daß für jemanden, der den Geist Goethes in sich aufgenommen hat, selbst so etwas wie «Licht auf den Weg» [•] etwas Triviales ist. Ich meine, dieses soll man nicht vergessen. Wer den hohen Schwung von Novalis oder Friedrich Schlegel aufgenommen hat, oder sich erfreut hat an Schellings «Bruno» [•], für den gilt diese ganze theosophische Literatur, wie sie aufgetreten ist, dennoch nur als etwas Vulgär-Triviales. Daher stand man vor der eigentümlichen Erscheinung, daß viele Menschen da waren, welche den ernsten, aufrichtigen Willen hatten, zum spirituellen Leben hinzukommen, die aber schließlich durch ihre geistige Artung eine gewisse Befriedigung finden konnten gerade an der charakterisierten Trivial-Literatur."

 

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Ignaz Paul Vital Troxler, 1780–1866.

 

 

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•13] GA 190 (…), S. 183–184 + Anm. S. x

 

"Goethe selber hat nicht alles von dem, was in seiner Seele lebte, was in seiner Seele namentlich geistig lebte, auch geistig sich zum Bewußtsein gebracht. Das ist gerade heute das große Problem Goethe, dasjenige, was in Goethe geistig lebte, wirklich auf geistige Art ins Bewußtsein heraufzuholen, was Goethe noch nicht konnte, denn es war dazumal nicht möglich, etwas anderes als eine seelenvolle, nicht eine geistige Kultur zu haben. So hat auch Herman Grimm, der ganz in der Goethe-Tradition drinnen fußt, wenn er von dem Geist Goethes reden sollte [•], nur einen Schatten, ein Gespenst, ein Schema. Und es ist schon eine charakteristische Erscheinung, daß dasjenige, was man aus der heutigen Kultur hervorgehend als das Beste über Goethe und den Goetheanismus bezeichnen muß, nur ein Gespenst von Goethe gibt. Das ist schon eine bezeichnende Erscheinung.

Ja, woher rührt es denn aber, daß durch diese ganze glanzvolle Kulturentwickelung hindurch der Begriff, das Erleben, das Erfühlen des eigentlichen Geistes fehlt? Tastend haben Leute wie Troxler, wie auch manchmal Schelling, hingewiesen auf den Geist. Aber rein objektiv gesehen, muß man sagen: In dieser ganzen Kultur fehlt der Geist. Und weil der Geist fehlte, kannte man auch nicht die Bedürfnisse des Geistes, kannte man nicht die Lebensbedingungen des Geistes. Das ist wiederum etwas, was als tragische Empfindung hervorquellen kann aus der Wahrnehmung dieser Kulturströmung, daß man innerhalb ihrer die Lebensbedingungen des Geistes, auch die sozialen Lebensbedingungen des Geistes nicht wahrzunehmen, nicht zu empfinden vermochte. Daran liegt es aber, daß sich das mitteleuropäische soziale Leben durch die Jahrhunderte herauf entwickeln konnte und, weil es kein eigentliches Erlebnis vom Geiste hatte, auch nicht das Bedürfnis bekam, die Grundbedingungen dieses Geisteslebens dadurch zu erfüllen, daß man das Geistesleben emanzipiert, auf sich selber stellt und von dem Staatsleben absondert. Weil man den Geist nicht kannte, kannte man auch nicht die innersten Lebensbedingungen des Geistes, empfand daher nicht die Notwendigkeit – ich rede immer nur von diesen Gebieten, bei den anderen Gebieten der gegenwärtigen zivilisierten Welt empfand man es auch nicht, aber aus anderen Gründen –, den Geist auf sich selbst zu stellen, sondern ließ ihn verschmelzen mit dem, worinnen er sich nur in Fesseln entwickeln konnte: mit dem Staatswesen. 1200, sagte ich, ist der Zeitpunkt, in dem auch die Tätigkeit Walthers von der Vogelweide verzeichnet werden kann, der Zeitpunkt, in dem das geistige Leben Mitteleuropas in mächtigen Imaginationen dahinpulste, von denen die konventionelle Geschichte wenig verzeichnet. Dann gleitet dieses Geistesleben durch die Jahrhunderte weiter, nimmt aber eigentlich schon vom 15., 16. Jahrhundert an die Keime des Niedergangs in sich auf, und es stellt sich hinein in dieses Geistesleben Mitteleuropas die Begründung der Universitäten Prag, Ingolstadt, Freiburg, Heidelberg, Rostock, Würzburg und so weiter. Die Begründung dieser Universitäten, die sich so aussäen über das mitteleuropäische Leben, fällt fast ganz in einJahrhundert hinein. Mit diesem Denken, mit diesem Leben, das von den Universitäten ausstrahlte, wurde die Tendenz gebracht nach dem Abstrakten, nach demjenigen, das dann als das rein naturwissenschaftliche Denken vergöttert und verehrt wurde – vergöttert kann man natürlich nur vergleichsweise sagen und das heute so verheerend in die Denkgewohnheiten der Menschen eingreift."

 

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183 Ignaz Paul Vital Troxler, 1780–1866.

Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling, 1775–1854.

 

 

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•14] GA 196 (…), S. 236–237 + S. 302–303

 

"Wird man aber einmal richtig die Wege finden, um durchzudringen durch jenes, man möchte sagen, Bedrückende, was die deutsche Entwickelung auch noch im 19. Jahrhundert hat, dieses Widersprechende der äußeren Staatsentwickelung, die notwendig machte, daß man eingesperrt wurde, wenn man sich als Deutscher fühlte und nicht als Preuße, nicht als Württemberger, nicht als Bayer oder als Österreicher, sieht man genau hin auf dasjenige, was alles damit zusammenhängt, und studiert man es konkret in den Einzelheiten, studiert man wirklich nicht so, wie die gewissenlose Schul-Tradition heute es dem Menschen einbleut, was von der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert deutsches Geistesleben geworden ist, studiert man, wie hineinfließt dasjenige, was Goetheanismus ist, in die großen Geister, die gar nicht mehr genannt werden, während die Geistesantipoden als Große gefeiert werden, studiert man, wie hineinfließt der Goetheanismus in Menschen wie Troxler, wie Schubert und so weiter, dann findet man heraus, daß gerade die Talentlosigkeit für das Staatswesen, die Schläfrigkeit für das Staatswesen, die Gefahr, eingesperrt zu werden, wenn man Staatsbürger deutscher Färbung sein wollte, nun das deutsche Volk prädestinierte, einmal ein gutes Verständnis zu entwickeln für das Spirituelle, für das Geistesleben. Es ist zunächst nur zurückgeschlagen durch die industrielle, kommerzielle Entwickelung seit den siebziger Jahren. Die hat in Deutschland gründlich mit dem deutschen Geiste aufgeräumt, die hat als Invasion von auswärts alles das, was an Geistigkeit da war, hinweggenommen. Goetheanismus ist vergessen worden. Daß ein Geist wie Leibniz zum Beispiel unter den Deutschen gelebt hat, das müßten die Gymnasiasten besser wissen, als daß sie wissen, was Cicero geschrieben hat, aber sie wissen kaum, daß Leibniz gelebt hat."

 

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"Im folgenden seien hier der Originaltext Rudolf Steiners (1.) sowie die gedruckte Dessoirsche Fassung (2.) wiedergegeben [•]: (1.) Ätherkörper (Ätherleib). Ein dem grobem (äußerlich wahrnehmbaren) Menschenkörper (und dem der andern Lebewesen) zu Grund liegender feinerer Körper (Leib). Er wird von der neueren Theosophie gekennzeichnet als das System von Kräften, welche ihren gesetzmäßigen Inhalt aus der geistigen Unterlage der Welt haben und die ihre Ausgestaltung (Objectivierung) in den organischen Formen des physisch-wahrnehmbaren Leibes finden. Mit der speculativ-mystischen «Lebenskraft» der alten Vitalisten hat der Ätherkörper nichts gemein. Wohl aber fällt er zusammen mit dem «Schema» genannten «inneren Menschen» früherer Philosophien und kommt auch im Weltbilde von Origenes, Augustinus vor. In der neueren Zeit fand er einen Vertreter in den Philosophen Troxler, J. H. Fichte u. A. Bei Kant findet er sich, wiewohl von Skepticismus umweht in den Träumen eines Geistersehers als seelischer innerer Mensch, der alle Gliedmaßen des äußeren Menschen der Möglichkeit nach in sich trägt. – Der neueren Theosophie ist der Ätherkörper eine Realität, welche wahrnehmbar wird, wenn die «inneren Sinne» des Beobachters durch entsprechende seelische Schulung aus ihrem latenten Zustande, in dem sie im gewöhnlichen Menschenleben sind, zum Erwachen und Wahrnehmen gebracht werden. Er erweist sich dann als ein in feinen Gestaltungen wechselndes (niemals feste Formen annehmendes) Kraftsystem, das den physischen Leib durchflutet und in der Gegend des vorderen physischen Leibes (wie eine Art Spiegelbild des Rückgrades) ins Unbestimmte (in die Kräfte des Kosmos) übergeht. Er bildet ein Zwischenglied zwischen dem physischen Leib und den höheren Bestandteilen des Menschen, der Seele und dem Geist. Im Schlafzustand bleibt der Ätherleib mit dem physischen Leibe voll verbunden, während Seele und Geist sich von der Region der Sinnesorgane und des Centralnervensystems sich loslösen (nicht aber von den andern Organen und dem sympathischen Nervensystem). Beim Träumen ist wohl der Geist von den Sinnesorganen und dem Centralnervensystem, nicht aber die Seele von diesem losgelöst. (Die Loslösung ist nicht als eine räumliche, sondern als eine dynamische zu denken). Im Tode lösen sich Ätherleib, Seele und Geist (die Seele wird auch Astralleib, der Geist des Menschen «Ichleib» genannt) vom physisch-wahrnehmbaren Leib los (räumlich und dynamisch); diese drei Glieder der menschlichen Wesenheit bleiben noch kurze Zeit (mehrere Tage) verbunden; dann löst sich der Ätherleib von Seele und Geist. Er geht dann gesetzmäßig in die allgemeinen Kosmischen Kräfte über: ein Teil in die Äthersphäre der Erde, ein anderer Teil in die nicht zur Erde gehörige Ätherwelt. Diese Auflösung des Ätherleibes ist der Zeit und auch dem Charakter des Vorganges nach für verschiedene Menschen ganz individuell-verschieden. Eine Beobachtung der Gesetze dieser Auflösung gehört zu den schwierigsten Problemen der Geisteswissenschaft. Diese Art der Auflösung hängt mit dem Charakter des physischen Erdenlebens zusammen und bildet einen Teil der Schicksalsursachen, welche Seele und Geist betreffen, nachdem diese nach ihrer Trennung vom Ätherleibe in die geistige Welt übergegangen sind."

 

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237 Ignaz Paul Vital Troxler, 1780 –1866, Arzt, Philosoph und Pädagoge. Professor in Basel und Bern.

 

 

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•15] GA 216 (…), S. 81–83 + Anm. S. x

 

"So kann man sagen: Das erste von Intellektualismus, was die Menschheit in ihrer geschichtlichen Entwickelung gelernt hat, haben die Ägypter von den Toten gelernt, und das erste, was in der neueren Zeit über Spirituelles gelernt worden ist, das haben wiederum hervorragende Persönlichkeiten aus ihrer Initiationslehre in okkulten Logen von ungeborenen Menschen bekommen. Das ist etwas, was einander in einer merkwürdigen Weise entspricht. Sehen Sie nur einmal, wenn Sie Goethes Werke verfolgen, wie Ihnen manchmal daraus etwas entgegenblitzt, was in spirituelle Weisheit zu dringen scheint, was er nicht imstande ist, in Gedankenform auszusprechen. Aber er prägt es in ein Bild, und das Bild hat eine große Ähnlichkeit mit irgendeinem Logensymbolum. Er hat es nur auf diese Weise bekommen. Und so gibt es viele, die auf diese Weise etwas bekommen haben. Aber diese ungeborenen Menschen können doch nur über das Aufschluß geben, was eben in der nichtirdischen Welt an Geistigem erfahren werden kann, sie können natürlich nur über das Himmlische Aufschluß geben, über das, was außerhalb der Erdenentwickelung liegt. Dadurch aber, daß durch die Zeremonien die elementarischen Erdengeister festgehalten wurden, dadurch können wiederum Mitteilungen gemacht werden von den ungeborenen Menschen an die elementarischen Erdengeister. Und ist dann gar noch ein Talent, ein Genie vorhanden, um die elementarischen Erdengeister abzuhorchen über das, was ihnen die ungeborenen Menschen mitteilen, dann sprechen die betreffenden Menschen, die so etwas abhören können, eben das aus, was die ungeborenen Menschen den Naturgeistern, den Erdgeistern sagen.

Versuchen Sie einmal auf das hin so manches wunderbare Naturbekenntnis Goethes zu verfolgen, manches Naturbekenntnis auch eines andern Menschen dieser Zeit, in dem so etwas besonders rege war, zum Beispiel in dem Dänen Steffens, oder sagen wir in Menschen wie etwa Troxler, Schubert, der so viel über den Traum geschrieben hat, aber eigentlich die besten Anregungen dazu von den Naturgeistern bekommen hat. Verfolgen Sie das bei vielen andern, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch zahlreicher waren als später, dann bekommen Sie Zeugnis für das, was auf diese Weise unter die Menschen gekommen ist. Aber manchmal ist sogar noch etwas anderes zustande gekommen. Manchmal ging die Mitteilung, welche die ungeborenen Menschen auf diese Weise den Naturgeistern auf Erden machten, nicht so in die Menschen über, daß diese aus der Natur und ihren Geheimnissen heraus spirituelle Dinge sprachen, sondern die Menschen nahmen sie manchmal in ihrer ganzen Seelenverfassung auf. Sie nahmen die Kräfte der Naturgeister in ihrer ganzen Seelenverfassung auf, und das kam dann zum Vorschein in dem Stil, den solche Menschen schrieben. Und wo ein Gefühl für so etwas vorhanden ist, da kann der heutige Mensch sich folgendes sagen: Wenn ich heute einen Historiker lese, wie zum Beispiel Ranke oder Taine oder einen gegenwärtigen englischen Historiker, da wird der Stil schon intellektualistisch. Ranke schreibt ja schon im Stil intellektualistisch, die Sätze sind schon intellektualistisch gefügt, es ist alles so gescheit, das Subjekt gescheit an seine Stelle gesetzt, das Prädikat gescheit an seine Stelle gesetzt, so daß schon fast die Schulmeister sogar mit einem solchen Stil zufrieden sein könnten. Aber man vergleiche solch einen Stil zum Beispiel mit dem von Johannes Müller in seinen «24 Büchern allgemeiner Geschichte» [•]. Es ist ein Stil, man möchte sagen, wie wenn ein Engel sprechen würde. Und auch in andern Kulturen ist im 18. Jahrhundert eben noch manches in einem solchen Stil geschrieben, der tatsächlich nicht dieses Unindividuelle, dieses beleidigend Objektive eines jetzigen historischen oder naturwissenschaftlichen Stiles hat, sondern der etwas von dem hat, woran man sieht: es gehen elementare Naturkräfte durch den schreibenden Menschen hindurch und sein Stil ist aus dem Kosmos, aus dem Universum heraus geschrieben."

 

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(…) Ignaz Paul Vitalis Troxler, 1780–1866, Arzt, Theoretiker der Medizin und praktischer Pädagoge. 1830 Professor in Basel, 1834 Professor der Philosophie in Bern. Siehe Willi Aeppli: «Paul Vital Troxler, Aufsätze über den Philosophen und Pädagogen», Basel 1929 [•]; ferner Iduna Belke: «Ignaz Paul Vital Troxler, sein Leben und sein Denken», Separatdruck Beromünster 1948, nach der im Krieg 1943 vernichteten Originalausgabe (Berlin 1935) [•].

 

 

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•16] GA 312 (…), S. 34 + Anm. S. x

 

"Ich möchte ja, daß die Dinge, die ich werde zu sagen haben überspezielle Heilprozesse, möglichst gut fundiert seien und möglichst alle darauf hintendieren, daß bei jeder einzelnen Krankheit eigentlich eine Anschauung gewonnen werden kann über den Zusammenhang des sogenannten abnormen Prozesses, der auch ein Naturprozeßsein muß, mit den sogenannten normalen Prozessen, die ja auch wiederum nichts anderes sind als Naturprozesse. Wo immer diese Frage, diese Fundamentalfrage aufgetaucht ist – das möchte ich nur gleichsam als einen kleinen Anhang bemerken –: Wie kommt man eigentlich damit zurecht, daß die Krankheitsprozesse doch auch Naturprozesse sind? – da sucht man sich so bald wie möglich immer wiederum, um die Sache zu drücken. Interessant war mir zum Beispiel (Tafel i) [•] ja, daß Troxler, der in Bern gelehrt hat, sehr intensiv schon in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts darauf hingewiesen hat, daß man gewissermaßen die Normalität der Krankheit untersuchen müsse und daß man dadurch in einer Richtung geführt wird, die zuletzt landet in der Anerkennung einer gewissen Welt, die mit der unseren verbunden ist und die nur wie durch unberechtigte Löcher sich hereinschiebt in unsere Welt und daß man dadurch auf irgend etwas in bezug auf die Krankheitserscheinungen kommen könne. Denken Sie sich – ich will das jetzt nur gewissermaßen grob schematisch andeuten –, es gäbe so irgendeine Welt im Hintergrunde, die zu ihren Gesetzen die ganz berechtigten Dinge hätte, die bei uns die Krankheitserscheinungen bewirken, dann könnten durch gewisse Löcher, durch die diese Welt hereindringt in unsere, diese Gesetze, die in einer anderen Welt ganz berechtigt sind, bei uns Unheil anrichten. Auf dieses wollte Troxler hinarbeiten. Und so unklar und undeutlich er sich auch in mancher Beziehung ausgesprochen hat, so merkt man doch, wie er auf einem Wege in der Medizin war, der hinarbeitet gerade auf eine gewisse Gesundung der medizinischen Wissenschaft. Ich habe dann mit einem Freunde einmal nachgesucht, da der Troxler doch in Bern gelehrt hat, wie er angesehen war unter seinen Kollegen, was man aus seiner Anregung gemacht hat, und wir konnten in dem Lexikon [•], das viele Dinge verzeichnet aus der Geschichte der Universität, bei Troxler nur herausfinden, daß er sehr viele Krache an der Universität gemacht hat! Das war dasjenige, was behalten worden ist. Und über seine wissenschaftliche Bedeutung konnte man gar nichts Besonderes herausfinden. Nun, ich wollte, wie gesagt, heute nur auf die Dinge hinweisen, und ich bitte Sie recht sehr, damit ich durchschießen kann dasjenige, was ich darstellen will aus meinen Absichten heraus mit dem, was in Ihren Wünschen liegt, mir bis morgen oder übermorgen alle Ihre Wünsche aufzuschreiben. Dann werde ich erst aus diesen Wünschen heraus dem Vortragszyklus die nötige Form geben. Ich glaube, so kommen wir dann am allerbesten zurecht. Ich bitte, das nur ganz ausgiebig zu machen."

 

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34 Ignaz Paul Vital Troxler, 1780-1866. Werke: «Blicke in das Wesen des Menschen»,Aarau 1812; «Naturlehre des menschlichen Erkennens oder Metaphysik», Aarau 1828; «Vorlesungen über Philosophie, über Inhalt, Bildungsgrenze, Zweck und Anwendung derselben aufs Leben», Bern 1835.

Karl Schmid: «Über Herzstoß und Pulskurven», Vortrag gehalten in der Monatsversammlung des Vereins der Ärzte Steiermarks zu Graz am 26. Oktober 1891, in «Wiener Medizinische Wochenschrift» 1892, Nr. 15-17.

 

 

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•17] GA 314 (…), S. 27–29 + Anm. S. x

 

"Man wird dazu geführt, wenn man die medizinische physiologisch-phänomenologische Forschung in der Richtung, die ich Ihnen hier in diesen kurzen Vortragszeiten nur andeuten kann, macht, einzusehen, daß es im menschlichen Organismus möglich ist, daß Kräfte, die eigentlich ins Geistig-Seelische hineingehen sollten im richtigen Lebensabschnitte, unten bleiben in der physischen Organisation. Dann ist dasjenige gegeben, wovon ich Ihnen gestern gesprochen habe, wenn das Normalmaß der Organisationskräfte sich umwandelt mit dem Zahnwechsel, dann haben wir ein solches Maß von Kräften im Organismus im späteren Lebensalter, das diesen Organismus nach seiner Normalgestalt und Normalstruktur durchorganisieren kann. Wenn wir aber das nicht haben, wenn wir zuwenig umwandeln, dann bleiben organisierende Kräfte da unten, treten irgendwo auf, und wir erhalten jene Neubildungen, jene karzinomatösen Neubildungen, von denen ich gestern gesprochen habe, und wir können auf diese Weise verfolgen den Prozeß des Erkrankens oder des Kränkens, wie der Mediziner Troxler sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgedrückt hat, des Kränkens in dem späteren Lebensabschnitte. Und wir können dann vergleichen, wie es mit den Kinderkrankheiten nun steht, denn selbstverständlich können Kinderkrankheiten nicht denselben Ursprung haben, weil sie im kindlichen Lebensalter auftreten, wo durchaus noch nichts umgewandelt ist. Aber wenn man gelernt hat dasjenige, was an Krankheitsursachen im späteren Lebensalter auftritt, hat man sich ja auch eine Fähigkeit angeeignet, zu beobachten, wie es mit den Krankheitsursachen im Kindheitsalter liegt. Da findet man allerdings in einer gewissen Weise dasselbe, nur von einer anderen Seite her. Man findet, daß auch dann zuviel von geistig-seelischer Organisationskraft im menschlichen Organismus ist, wenn Kinderkrankheiten auftreten. Für denjenigen, der sich in dieser Richtung Anschauungsvermögen angeeignet hat, treten diese Dinge besonders kraftvoll hervor, wenn er das Phänomen des Scharlachs, der Masern während der kindlichen Zeit ins Auge faßt, wo er sehen kann, wie im kindlichen Organismus dasjenige, was sonst normalerweise funktionieren würde, das Geistig-Seelische, zu rumoren anfängt, wie es in einem höheren Maße wirkt, als es eigentlich wirken sollte. Der ganze Verlauf dieser Krankheiten wird verständlich in dem Augenblicke, wo man dieses Rumoren des Geistig-Seelischen im Organismus nun wirklich schauen kann als die Grundlage der Erkrankung. Und dann ist man nicht mehr weit – ich bitte, meinen Satz ganz genau ins Auge zu fassen, denn ich gehe nie einen Schritt weiter, als gerechtfertigt ist durch die vorhergehenden Erwägungen, wenn auch manches nur skizzenhaft gesagt werden kann, aber ich deute überall an, wie weit man gehen kann –, ich sage nicht, daß hier nun ein Schluß gezogen wird, sondern sage nur, man ist nicht mehr weit, etwas anzuerkennen, was außerordentlich wichtig ist anzuerkennen für ein wirkliches Wissen. Wenn wir dabei angelangt sind, zu erkennen, wie im menschlichen Organismus bei einer Erkrankung im späteren Lebensalter, die nach der Richtung der Neubildung geht, zuviel organisierende Kraft da ist, die also einen Überschuß gewissermaßen in einer Organisationsinsel ergibt, dann ist man eben auch nicht mehr weit davon, sich zu sagen: Weist so das spätere Lebensalter auf die früheste Kindheit zurück, so weist schließlich dasjenige, was sich in der Kindheit zeigt, auf die Zeit vor der Geburt oder sagen wir vor der Empfängnis zurück; es weist zurück auf das geistig-seelische Dasein des Menschen, das er durchlaufen hat, bevor er mit einem physischen Leibe umkleidet wurde. Ein solcher Mensch hat einfach zuviel mitgebracht an Geistig-Seelischem aus seinem vormenschlichen Leben, vorirdischen Leben, und dieser Überschuß lebt sich in den Kinderkrankheiten aus. Es wird in der Zukunft gar nicht anders gehen, als sich hineintreiben zu lassen aus den unfruchtbaren materialistischen Betrachtungen, in denen wir heute namentlich im Physiologisch-Therapeutischen stecken, in eine geistig-seelische Betrachtung. Und man wird schon sehen, daß dasjenige, was in der Geisteswissenschaft auftritt, nicht etwa aus dem Grunde auftritt, weil der Geistesforscher zuwenig drinnensteht in der physischen Forschung, und weil er gewissermaßen ein Dilettant ist in der physischen Forschung, wobei ich in Parenthese durchaus sage, daß viele, die sich Geistesforscher nennen, allerdings solche Dilettanten sind, aber es ist dasjenige nicht das, was sein soll. Der Geistesforscher braucht nicht zuwenig drinnen zu stecken in der physischen Forschung, um Geistesforscher zu werden, sondern er wird Geistesforscher, wenn er gerade mehr drinnensteckt als der gewöhnliche Naturforscher. Wenn er die Erscheinungen intensiver durchschaut, dann treiben ihn die Erscheinungen schon selbst ins Geistig-Seelische hinein, insbesondere, wenn wir vom Kranksein zu sprechen haben."

 

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27 Ignaz Paul Vital Troxler, 1780-1866.