Themen

Ausbreitung und Professionalisierung

Expansion der Kulturinitiativen

Innenansicht Goetheanum

Weltweit entsteht eine Vielzahl anthroposophisch inspirierter Schulen, Höfe, sozialtherapeutischer, heilpädagogischer und klinischer Einrichtungen, Studienstätten, Ausbildungszentren, und aus Vorläufern in den 60er-Jahren wird 1974 die GLS Gemeinschaftsbank in Bochum begründet*. In der Waldorfpädagogik ist dieser Entfaltungsschub am markantesten: 1956 arbeiten 62 Waldorfschulen in 14 Ländern, 1992 sind es 567 Schulen in 35 Ländern und 877 Schulen in 57 Ländern im Jahre 2000. Parallel dazu entstehen berufsbildende Studiengänge zur Waldorfpädagogik, biologisch-dynamischer Landwirtschaft, anthroposophisch erweiterter Medizin und künstlerische Ausbildungen in allen Erdteilen. Die entsprechende Forschung in eigenen Instituten, an Hochschulen und Universitäten schlägt sich in wissenschaftlicher, fachorientierter und allgemein-anthroposophischer Literatur nieder. In der Koordination und Strukturierung der vielfältigen Aktivitäten wird eine Professionalisierung sichtbar und in den deutschsprachigen Ländern findet durch die Arbeit auf den Berufsfeldern der Eintritt in den öffentlichen Raum statt.

Schließlich entstehen Projekte in sozialen Brennpunkten, wie Waldorfschulen und Kindergärten jenseits der Grenzen von Apartheid in Südafrika, Kulturarbeit in Elendsvierteln Südamerikas, Sozialarbeit im Strafvollzug, in der Suchttherapie, in der Altenpflege.

Die lokale, überregionale und internationale Tagungskultur erweitert sich, Konfe­renz-, Studien- und Rudolf Steiner-Häuser mit vielfältigen Kursangeboten werden gegründet. Neben allgemein-anthroposophischen Veranstaltungen nehmen Fach­tagungen auch im Rahmen der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft zu, die Bedeutung der Anthroposophischen Gesellschaft und der Hochschule tritt aber gegenüber dem Wachstum der Kulturinitiativen in den Hintergrund.

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Willhelm Ernst Barkhoffs anthroposophische Tätigkeit begann damit, dass er 1956 aus Gefälligkeit dem Vorstand der zu gründenden Rudolf Steiner Schule Ruhrgebiet beitrat. Er war ein gut verdienender Fachanwalt für Steuerrecht und Notar. Zur Finanzierung der zu Anfang sehr bescheidenen Schule erfand Barkhoff „Leihgemeinschafen“, die durch die solidarische Bündelung der Finanzkraft auch Menschen mit geringem finanziellen Mitteln einen Zugang zu Bankkrediten verschaffte. Das war der Keim des anthroposophischen Bankwesens.

Aus den Initiativen von Ernst Wilhelm Barkhoff wird 1967 die „Gemeinnützige Kredit- und Garantiegenossenschaft GmbH“ und die „Gemeinnützige Treuhandstelle e.V.“ in Bochum/DE gegründet. Sie sind der Vorläufer u.a. der GLS-Gemeinschaftsbank (DE), der Triodos-Bank (NL) und der BCL-Gemeinschaftsbank (CH), die einen sozialen und ethisch-ökologischen Umgang mit Geld auf gemeinnütziger Grundlage ermöglichen.